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Archiv-Artikel

Hamburg braucht Platz für den Deichbau

HOCHWASSERSCHUTZ Höher auflaufende Sturmfluten erfordern höhere und vor allem breitere Deiche. Dem alten Bauprogramm fielen 60 Häuser zum Opfer. „Klimazuschlag“ für Anstieg des Meeresspiegels

Schutz vorm Wasser

Nach der verheerenden Sturmflut von 1962, bei der 315 Menschen starben, sind die Deiche zweimal erhöht worden:

■ Nach 1962 von 5,70 auf 7,20 Meter. Dabei schwoll die Breite von 12,10 auf 42,70 Meter.

■ Im laufenden Programm wuchsen die Deiche auf 8 bis 8,50 Meter Höhe und 53,50 Meter Breite.

■ Die Kosten bis zum Ende des Programms 2016 werden sich voraussichtlich auf 700 Millionen Euro belaufen.

Für das nächste Deicherhöhungsprogramm, das der Senat angekündigt hat, wird er viel Platz brauchen. Grob gerechnet dürften über die gesamte Deichlinie bis zu 39 Hektar Fläche in Anspruch genommen werden – viereinhalbmal soviel wie die Messe. Das heißt, dass Häuser abgerissen und Bäume gefällt werden müssen.

Der SPD-Senat hatte am Dienstag beschlossen, bei der Planung von Hochwasserschutzanlagen von neuen Höchstwasserständen auszugehen. Damit stellt er sich zum einen auf eine Hebung des Meeresbodens ein. Zum anderen kalkuliert er mit einem „Klimazuschlag für den zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels“.

Sobald das seit 20 Jahren laufende aktuelle Bauprogramm 2016 abgeschlossen ist, will die Stadt mit einem neuen Programm beginnen. Dabei sollen im Wesentlichen die Deiche erhöht werden – in der Regel um 80 Zentimeter. Die meisten übrigen Hochwasserschutzbauten, etwa Sperrwerke und Flutschutzmauern, verfügen bereits über eine entsprechende Reserve.

Allerdings dürfen die Böschungen der Deiche mit der Erhöhung nicht steiler werden: Sonst würden sie dem Wasser eine bessere Angriffsfläche bieten. Um ein gleichbleibend flaches Gefälle zu erhalten, müssen die Deiche also um ein Vielfaches der Erhöhung breiter werden: bei einer Erhöhung von 80 Zentimetern um rund fünf Meter. Manches Gebäude, das heute dicht am Deich steht, wird deshalb weichen müssen.

„Einbauten in den Deich wirken sich nachteilig auf die Sicherheit der Hochwasserschutzanlagen aus“, sagt Frank Krippner, Sprecher der Umweltbehörde. Der Senat verhandle daher bereits über den Ankauf von Gebäuden. Für das zu Ende gehende Bauprogramm seien 60 Gebäude erworben und abgebrochen worden.

Nils Kerpen vom Franzius-Institut für Wasserbau der Universität Hannover weist auf den enormen Materialbedarf hin, der nötig ist, um die heute schon sehr breiten Deiche um 80 Zentimeter zu erhöhen. „Man kann auch strategisch herangehen“, sagt er mit Blick auf die hohen Kosten. Wenn der Deich vor allem dem Anprall von Wellen standhalten müsse, könne auch die Geometrie und Rauhigkeit des Deichs verändert werden. „Ganz groß gedacht“ könnte, etwa bei einem extremen Anstieg des Meeresspiegels, auch die Deichlinie verändert und ein Sperrwerk über die Elbe geplant werden. GERNOT KNÖDLER