„Immer mit dem Trecker um das Scheißding rum“

ENERGIEWENDE Niedersachsens Umweltminister sucht den Widerstand gegen eine Nord-Süd-Höchstspannungstrasse zu besänftigen

In der Bundespolitik schießt seine FDP gegen die Energiewende, wo sie nur kann, in Hannover muss sie Stefan Birkner als Landesumweltminister umsetzen: „Der schnelle Netzausbau hat für die Landesregierung höchste Priorität. Niedersachsen hat daran als Bundesland, in dem die meiste Windenergie und Biomasse erzeugt wird, ein überragendes Interesse“, sagt Birkner bei einer Veranstaltung im Bürgerzentrum Vechelde.

Es ist der erste Termin von insgesamt drei, bei denen Birkner diese Woche zusammen mit dem Stromnetzbetreiber Tennet werben will für die geplante neue Stromtrasse von Wahle im Landkreis Peine nach Mecklar in Nordhessen. 230 Kilometer ist die lang, alleine 160 Kilometer befinden sich in Niedersachsen. Alle 300 bis 450 Meter sollen rund 60 Meter hohe Masten aufgestellt werden, nur bei Göttingen sind auf einer Strecke von sieben Kilometern unterirdische Stromkabel vorgesehen.

Höflicher Applaus

„Ohne neue Stromleitungen, durch die die im Norden produzierten erneuerbaren Energien in den Süden transportiert werden können, keine Energiewende“, sagt Birkner im Bürgerzentrum Vechelde – und erhält dafür höflichen Beifall von den rund 100 Besuchern.

Mehr Applaus erntet der Landwirt Rainer Leuwer aus Liedingen in der anschließenden Diskussion: „Wir bekommen eine kleine einmalige Abfindung dafür, dass auf unser Land ein Riesenstahlmast gesetzt wird und müssen dann mit dem Trecker immer um das Scheißding drum rumfahren, während die großen Stromkonzerne jeden Tag daran verdienen“, sagt der Landwirt, und dass das so nicht gehe. Er fordert eine „regelmäßige Abgabe“ an die betroffenen Bauern.

Es geht ums Geld, und da fühlen sich gerade Bauern ungerecht behandelt. „Für ein Windrad auf dem Acker gibt es jedes Jahr 30.000 bis 45.000 Euro, für einen Strommasten einmalig 3.000 bis 4.000 Euro“, sagt Guido Franke, Sprecher der „Bürgerinitiative Südkreis gegen Megamasten“. Im Landkreis Hildesheim hatte die Bürgerinitiative 40.000 Unterschriften gesammelt, damit die Leitung komplett unterirdisch verlegt wird – ein Ziel, das sie nun durch zahlreiche Einwendungen beim Planfeststellungsverfahren erreichen will.

Unterirdische Stromkabel sind wesentlich teurer als überirdische Leitungen und weniger leistungsfähig. Zudem werden sie bisher nur sehr selten eingesetzt. Bei der Diskussion in Vechelde wird klar, dass es den Anliegern auf dem Land vor allem um den Wertverlust ihrer Immobilien durch die großen Stahlkolosse geht – Sorgen, die Birkner, der Umweltminister von der FDP, ernst zu nehmen versucht, indem er mit den Bauern etwa über alternative Streckenverläufe diskutiert. Bis 2015 soll die Nord-Süd-Trasse stehen. Experten rechnen jedoch damit, dass es zu Verzögerungen kommt.  JOACHIM GÖRES