berliner szenen
: Der Zentralrat und ich

Ich war mit M. und A. in Kolumbien. Ich hatte, obwohl ich eine Reportage schreiben wollte, meistens, wenn wir unterwegs waren, keinen Kugelschreiber dabei, was eine besondere Leistung der Arbeitsverweigerung war. Manchmal gab mir A. ihren Bleistift, meistens gab mir M. seinen Kugelschreiber, der sehr schön aussah. Irgendwann, wir gingen wieder in ein klimatisiertes Café, um der Hitze auszuweichen, sah ich ihn mir genauer an.

Er war schwarz, mit silbernen Umrandungen und auf ihm stand: Zentralrat der Juden in Deutschland. Ich lachte auf. M. grinste und zuckte mit den Schultern und sagte, den habe er bei einer Sitzung mitgehen lassen, der lag da rum. Einen eigenen Stift vergaß ich weiterhin, und jedes Mal, wenn ich einen brauchte, sagte ich zu M.: „Kannst du mir bitte noch mal den Zentralrat geben?“ Der Stift lag gut in der Hand, ich machte damit Notizen und wenn mir nichts einfiel, malte ich irgendwelche Flächen aneinander. Der Zentralrat und ich. M. bemerkte meine Zuneigung und sagte, ja, super Stift.

Als wir uns Wochen später in Berlin trafen, in einer Rumpelpizzeria, einer Mischung aus Restaurant und Stehbierausschank, sagte er: „Ich habe was für dich“ und legte den Zentralrat auf den Tisch. M. hatte eine Freundin gebeten, ihr einen mitzubringen. Nun hatte ich einen eigenen. Wieder zu Hause, wollte ich ihn aus der Manteltasche holen und fand ihn nicht. Er musste mir aus der Tasche gefallen sein. Ich rief „Bin gleich wieder da“ in die Wohnung und zog die Tür wieder zu. Zurück im Imbiss, sagte ich, ich hätte einen Kugelschreiber verloren, der mir sehr wichtig sei. Der Typ, der ein ­Palästinensertuch trug, baute sich auf und sagte nichts. „Komm, wo ist der Stift?“, sagte ich. „50 Euro“, sagte der Typ und grinste. Ich zeigte ihm einen Vogel. Er gab ihn mir zurück und wir wurden keine Freunde.

Björn Kuhligk