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: Schön schwalben
wie einst Hans-Willi

Die Bundesliga macht auch sprachlich zu wenig aus sich. Alternative Fakten etwa kennt man hier schon lange

Alles in allem ist die Welt wundervoll, jedenfalls die der Wörter. Nehmen wir zum Beispiel Poronkusema. Das finnische Wort steht für die Strecke, die ein Rentier zurücklegen kann, ohne Pipi zu machen, nämlich 7,5 Kilometer. Weil Rens nicht während sie laufen urinieren können, war Poronkusema früher, als die Menschen noch auf Schlitten angewiesen waren, eine wichtige Maßeinheit.

Ob der Gladbacher Lars Stindl, derzeit in der Kicker-Statistik „Laufleistung“ führender Spieler, der es pro Spiel auf durchschnittlich 12 zurückgelegte Kilometer bringt, nach 6 Kilometern, also in der Halbzeit, überhaupt zur Toilette muss, ist dagegen unbekannt, aber eigentlich auch nicht Thema.

Denn: Poronkusema. Beziehungsweise Wörter. Und Fußball, natürlich. Erstaunlich ist, dass es nur wenige im Fußball gebräuchliche Worte in die Alltagssprache geschafft haben. Was entweder dafür spricht, dass es allen, die sich mit der Kickerei beschäftigen, an sprachlicher Kreativität fehlt, oder dafür, dass die Ballspielerei einfach nicht so hipp und cool ist wie andere Bereiche des täglichen Lebens.

Dass das Wort Schwalbe sich auf den tatsächlichen Vogel bezieht und nicht auf, sagen wir: einen Spieler namens Berthold Schwalbe oder Hans-Willi Schwalbe (oder wie auch immer die Leute damals mit Vornamen hießen), der in den sechziger Jahren für seine bemerkenswerte Fallfreudigkeit westdeutschlandweit berüchtigt war und sich nach seiner aktiven Karriere eine Trinkhalle in Duisburg kaufte, wo er – bis ins hohe Alter rüstig geblieben –, seinen Fans vorführte, wie er 1963 beim 1. FC Köln einen Elfer geschunden und damit das 1:1 ermöglicht hatte (Endstand: 3:3), ist beispielsweise sehr enttäuschend.

Okay, für die alljährliche Meisterschaft des FC Bayern München hätte eigentlich auch kein neues Wort erfunden werden müssen, weil es „Langeweile“, „Ödniss“ und „Vorhersehbarkeit“ schon gibt. Aber den Begriff „alternative Fakten“ hätte man in der Fußball-Welt doch nun wirklich, ein wenig Selbstironie vorausgesetzt, aber klar, woher soll sie auch kommen, schon lange vor der Politik erfinden können. Schließlich werden dort, ähnlich wie bei Trump-Fans, alle Geschehnisse grundsätzlich streng subjektiv beurteilt. Man kennt das, als unbedingt Rotwürdig werden Fouls nur dann eingeschätzt, wenn ein Spieler des eigenen Vereins das Opfer ist, während im umgekehrten Fall der zu Boden gegangene gegnerische Spieler ein blöder Schauspieler ist, der im Prinzip nur schwalben kann (ein Jammer übrigens, dass die fußballerische Schwalbe es nie geschafft hat, ein Verb zu werden).

Ebenfalls kann man es äußerst schade finden, dass eine treffende Bezeichnung für die Zeiteinheit „Jahre, die der Hamburger SV brauchte, um aus der Bundesliga abzusteigen“, bisher nicht eingeführt werden konnte und es, obschon der Verein diesmal aber wirklich – trotz aller anderslautender Beteuerungen – nicht mehr viel Hoffnung haben kann, immer noch keine Vorschläge dafür gibt. Andererseits: Im Finnischen gibt es schon ein passendes, wunderschönes Wort, halt nein, sogar zwei wunderschöne Worte. Sie lauten „viisikymmentä vuotta“ und bedeuten auf deutsch: 55 Jahre. Elke Wittich