Nils Schuhmacher
Hamburger Soundtrack
: Im Gewand der Eltern

Es spielen dieser Tage Lissie, Lotte, Yonas, Lea, Alina, Louka und Anastacia. Und zwar nicht gemeinsam in einem Sandkasten zwischen Eppendorf, Groß-Borstel und Hoheluft, sondern am 16. 4., 19. 4., 20. 4., 21. 4., 22. 4. und 26. 4. im Grünspan, in der Fabrik, im Uebel & Gefahrlich, im Nochtspeicher und der Laeisz­halle. Es gesellt sich noch Flo dazu (22. 4. Molotow). Aber auch wenn er seinen Vornamen mit einem „Mega“ etwas aufgehübscht hat, möchte man ihn doch hinzurufen und sie alle gemeinsam mal fragen: „Was ist los bei euch, Leute? Wird Popmusik heute wirklich im Gewand präsentiert, das einem die Eltern gaben?“

Sie werden dann vermutlich antworten, dass es doch immer schon musizierende Heintjes, Nicos, Cindys und Berts gab. Aber dies ist nur der eine Teil der Wahrheit, denn entscheidend sind natürlich auch die Moden und Wellen der Namensgebung. Und es ist eben so, dass heutzutage niemand mehr sein Kind Zupfgeigenhansl nennt und auch nur noch selten Sonic Jesus, Wichswut (19. 4., Hafenklang) oder Exploited (19. 4., Markthalle). Schließlich handelt es sich dabei um Namen, die kein Elternteil gern auf dem Spielplatz ruft, weil man dann schräge Blicke erntet und gegebenenfalls in eine tolerantere Stadt umziehen muss, die aber nie erbaut werden wird.

Ein von vielen gefahrener Ansatz besteht parallel darin, den Efrims, Sophies, Davids, Aidans, Rogers, Mauros, Thierrys, Bruces, Norsolas und ­Mikes einen Sammelnamen zu geben, sodass man sie nicht aufwendig einen nach dem anderen rufen muss. Zum Beispiel Godspeed You! Black Emperor (16. 4., Knust). Das klingt leicht distinguiert, aber auch nicht irgendwie abgehoben. Anders als die oben erwähnte (mehr oder weniger) fröhliche Schar hat man es hier mit einer äußerst schweigsamen, geradezu lichtscheuen Truppe zu tun, die zudem weitgehend (auf der Bühne: völlig) schweigsam ist.

Einziger Anhaltspunkt: ein orchestraler, in alle Richtungen ausufernder Stil, der alles Mögliche zu sein scheint, nur nicht „Post-Rock“, wie die seit Jahrzehnten bestehende kanadische Band irgendwo wortkarg anmerkte. Viel mehr ist nicht herauszubekommen. Außer vielleicht noch, dass die Namensgebung ganz selbsttätig erfolgte: in Anlehnung an einen japanischen Dokumentarfilm, in dem es um einen Motorradfahrer geht, der in Auseinandersetzungen mit der Polizei und dann auch mit seinen Eltern gerät. Da wären sie also wieder.