Google schafft sich ab

ONLINE Der Boom ist vorbei: Klassische Suchmaschinen wachsen erstmals nicht mehr in den USA. Eine gewollte Strategie. Der einstige Apple-Chef Steve Jobs wusste schon vor Jahren, dass es so kommen würde

BERLIN taz | Suchmaschinen sind tot. Oder werden es bald sein. Das sagte sinngemäß Steve Jobs, 2010 war das, also vor etwa 50 Internetjahren. In Zeiten des mobilen Netzes würden Empfehlungen die Suche ablösen.

Der Zeitpunkt, an dem das Nutzerverhalten kippt, könnte jetzt gekommen sein: Zum ersten Mal hat das jährliche Suchvolumen in den USA abgenommen. Der Analyst Ben Schachter von Macquarie Securities spricht in einer Untersuchung von einem Rückgang um 4 Prozent. Zum Vergleich: 2005 war die Anzahl der Suchanfragen in den Staaten um 58,5 Prozent gewachsen, 2010 noch um 11,5 Prozent. Ein solches Wachstum ist zwar kaum mehr zu erwarten, da mittlerweile 78 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner das Internet nutzen. Stabil bleiben müsste das Suchvolumen dennoch.

Es gibt andere Trends, die den Rückgang erklären – denn das Informationsbedürfnis ist ungebrochen. Die rückläufigen Suchzahlen beim klassischen Googeln werden mehr als ausgeglichen durch einen exorbitanten Zuwachs bei sprachgesteuerten Suchfunktionen und mobilen Anfragen. Doch viele große Netzfirmen arbeiten daran, die Wissbegier ihrer Klientel möglichst zu beschneiden, weil sie den eigenen Interessen im Wege steht. Die mit beschissen noch wohlwollend umschriebenen Suchfunktionen in sozialen Netzwerken sind dafür das sprechendste Beispiel. Auch Google selbst sucht nicht mehr objektiv, sondern wertet die Userempfehlungen seines sozialen Netzwerks Google Plus aus. Der Anspruch, ein Schaubild des online verfügbaren Weltwissens zu sein, geht damit verloren. In einem Interview auf Techchrunch.com sagte Google-Suchmaschinenchef Jack Mentzel, Ziel sei es, dass der Nutzer nicht mehr lernen müsse zu suchen: die Suchfunktion müsse „wie ein bester Freund sein, dialogorientiert und simpel“. Wenn Google sich immer mehr an sozialen Parametern orientiert, bedeutet das ein Ende der Suche?

Nein, denn die vorherigen Kriterien waren auch keine Objektivitätsgaranten. Die Suchmenge war nur größer, was den Ergebnissen eine gewisse Autorität verlieh. Jetzt immerhin ahnt der Nutzer, dass seine Trefferliste eher ihn abbildet als das ominöse Weltwissen, dass Suchmaschinen ihm nach dem Mund reden.

Das könnte ein Bewusstsein für das Problem schaffen, dass Suchmaschinen zu Beantwortungsmaschinen geworden sind, wie es der Netzberater Jakob Nielsen beschreibt. Mit der Konsequenz, dass die Nutzer nicht mehr wissen, wie man sucht. Zu einem solchen Ergebnis kam eine Studie von fünf Universitäten im US-Bundesstaat Illinois: Die Studenten hatten „im Großen und Ganzen keine Ahnung, wie eine Suchmaschine die Ergebnisse organisiert und darstellt. Sie wussten nicht, wie man eine Suche aufzieht, um zu brauchbaren Resultaten zu kommen“, lautet das Ergebnis. Sie müssten erst mal suchen lernen. FRÉDÉRIC VALIN