das portrait
: Eigener Charme: Als Ostbeauftragter der SPD ist Martin Duliggenau der Richtige

Foto: Jörg Carstensen/dpa

„Kennen Sie diesen Mann? Er spielt Trompete und hat sechs Kinder. Er ist Maurer mit Abi­tur. Nur beim Bügeln könnte er besser werden!“ Zum Landtagswahlkampf in Sachsen 2014 genügten diese wenigen Sätze für die Titelseite einer Martin-Dulig-Broschüre. Das Private ist für den 44-Jährigen aber nicht Teil einer Selbstinszenierung, sondern spielt auf organische Weise ins Politische hinein. Im Bundestagswahljahr 2017 ging der Küchentisch der achtköpfigen Familie erneut auf Tour, Symbol für Gemeinschaft und Problemlösungsort zugleich. Schon 1990, mit nur 16 Jahren, legte er die erste Vaterschaft hin, kaum 18 geworden, heiratete er seine Frau Susann. Mit der bis heute intakten christlichen Großfamilie ließe sich prächtig kokettieren.

Der natürliche Charme, der Dulig auch bei Journalisten beliebt macht, erlaubt ihm eine gewisse Koketterie. Zum Beispiel mit dem Amt des sächsischen Ministerpräsidenten, das er als Wirtschaftsminister der zweiten CDU-SPD-Koalition seit 2014 schon mal „üben“ will. Ein aussichtsloses Unterfangen angesichts der beklagenswerten Diaspora-Situation der SPD in Sachsen. Als er erstmals beim Groko-Gefeilsche um einen Ostbeauftragten ins Spiel gebracht worden war, lehnte er noch ab: „Mein Platz ist in Sachsen.“ Für die aktuelle, dritte Groko in Berlin warb er indes heftig – und an öffentlich formulierten Fragen wie „Wofür steht eigentlich Kevin Kühnert?“ merkte man, dass auch Dulig zum bedächtig wägenden Staatspolitiker avanciert und nicht mehr der wilde Juso von einst ist.

Als Rebell kam er über einen Schülerrat und eine Wandzeitung in der späten DDR zur Politik und landete in Moritzburg nahe Dresden bei der Jugendorganisation der damaligen SDP. Dahin habe ihn sein „politisches Grundgefühl“ gezogen, sagt er. Würden wir heute einen Martin Dulig kennen, wenn 2003 der Verhinderungscoup konservativer SPD-Kreise gegen den damals frechen Juso-Chef auf dem Landesparteitag geglückt wäre? Mit Erfolg wagte Dulig damals eine Kampfkandidatur um Platz 3 der Landesliste.

Vier Jahre später wurde er Vorsitzender der Landtagsfraktion, 2009 Chef der Sachsen-SPD. Zuletzt wurde er 2016 mit fast 85 Prozent gewählt, obschon er sich erneut als renitent erwiesen hatte: Vom Koalitionspartner CDU wurde Dulig als „Nestbeschmutzers“ tituliert, weil er die Selbstgefälligkeit der CDU und deren fehlende Positionierung gegen Rechts sowie die Rolle der Polizei kritisiert hatte.

Jetzt ist er zum Ostbeauftragen der SPD ernannt worden. Dieses Ehrenamt ist eher als innerparteiliche Mission denn als Konkurrenz zum Ostbeauftragten der CDU, Christian Hirte, anzusehen. Mit Küchentischanhörungen für Wendegeschädigte hatte es die Ost-SPD 2017 immerhin schon mal bis zu einem „Gerechtigkeitsfonds“ im Wahlprogramm gebracht. Westlichen Stammgenossen mit Nachsicht den Osten erklären, damit sie nicht weiter von „Jammerossis“ sprechen: Zu einem verbindlichen Typ von gewinnender Freundlichkeit wie Dulig passt diese Aufgabe. Michael Bartsch