Ein Problem, das keines war

Macht Meinung! Die deutsche Presse ist eher zu ängstlich darauf bedacht, Meinungsäußerungen zu vermeiden – sagt Medienwissenschaftler Helmut Scherer

taz: Wird das Bückeburger Urteil die Medienlandschaft verändern, Herr Scherer?

Helmut Scherer: Na, das glaube ich eher nicht. Der Staatsgerichtshof hat ja die bisherige Ordnung bestätigt. Das neue Landesmediengesetz war der Versuch, sie zu verändern.

Der ging aber doch von einem bestimmten Problem aus: Ist es denn in Ordnung, dass Parteien Einfluss auf die Medien nehmen?

Parteien besitzen doch immer auch Printmedien, und es ist nicht einzusehen, dass das beim Rundfunk anders sein sollte. Sie verfolgen damit ihre legitimen Interessen: Nur unter dieser Voraussetzung ist Meinungsvielfalt überhaupt möglich. Aus meiner Sicht jedenfalls bedeutet der „Vorwärts“ keine Gefahr für die Demokratie.

Das ist allerdings eine Parteizeitung, anders als die Lokalzeitungen, an denen die SPD-Medienholding Anteile besitzt: Im Bundestag hat im Mai die medienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Anstoß an der Neubesetzung des Chefredakteurs-Postens bei der „Hannoverschen Allgemeinen“ genommen: Angeblich sei sie nach parteipolitischen Kriterien erfolgt. Die HAZ ist das Flaggschiff der Madsack-Gruppe die wiederum zu 20 Prozent der SPD gehört.

Naja, Sie können mir aber auch nicht erzählen, dass Sie mit einem Grünen-Parteibuch in die Führungsriege der FAZ aufsteigen. Nein, Medien sind Tendenzbetriebe. Sie haben die Aufgabe, Meinung zu machen.Und da ist es nur verständlich, wenn Verlage bei der Besetzung von Spitzenpositionen darauf achten, jemanden auszuwählen, der ihre Tendenz glaubwürdig vertreten kann. In Deutschland ist die Presse eher zu ängstlich darauf bedacht, Meinungsäußerungen zu vermeiden. Abgesehen davon: Die CDU hat wirklich keinen Grund, sich über Madsack zu beschweren. Ich glaube eher, dass da jemand ein Problem gesehen hat, das keines war.

Aus eigenem Interesse?

Das kann man vermuten. Ein viel größeres Problem ist es doch, wenn es über verdeckte Beteiligungen zur erheblichen Konzentration von Medien-Macht kommt, die keine Pluralität mehr zulässt. Das Schlimmste was passieren kann ist, wenn sich unsere wichtigsten Sender freiwillig gleichschalten – wie beim Fernseh-Duell am Sonntag. FRAGEN: bes