Aussteigen und draufkloppen

Drei Jahre nach dem Berlin-Besuch von US-Präsident Bush verhandelt ein Gericht jetzt gegen fünf Polizisten, die einen harmlosen Palästinenser brutal zusammengeschlagen haben sollen

VON PLUTONIA PLARRE

Ein zierlicher Mann steht allein an einer Straßenkreuzung. An den Füßen trägt er Hauslatschen, in den Händen schwenkt er eine Palästina-Fahne. Ein stiller Protest fernab des großen Demonstrationsgeschehens gegen den Besuch von US-Präsident Georg Bush, der am 23. Mai 2002 Berlin besucht.

Was dann kommt, ist wie im Film: Mehrere Polizeiwagen stoppen neben dem Mann, der sich mit seiner Fahne in Reinickendorf an der Wegstrecke des Präsidenten aufgebaut hat. Vier, fünf Beamte stürmen heraus, reißen dem Palästinenser die Fahne weg und schlagen und treten auf ihn ein. Später noch mal, als er bereits am Boden liegt.

Der Mann landet mit einem mehrfachen Armbruch, Prellungen und Hautabschürfungen im Krankenhaus. Dass sind nur die äußeren Verletzungen. „Mein Mandat ist von dem Geschehen regelrecht traumatisiert,“ sagt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der den Palästinenser Khaled M. als Nebenkläger vertritt.

Drei Jahre hat es gedauert. Ab morgen wird nun einigen der damals beteiligten Polizisten im Amtsgericht Moabit der Prozess gemacht. Angeklagt sind fünf Beamte einer Einsatzhundertschaft der Direktion 1.

Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt. Gemessen daran, dass die meisten Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen „Körperverletzung im Amt“ eingestellt werden, sei schon die Anklageerhebung an sich ein kleiner Erfolg, findet Kaleck.

In den Reihen der geschlossenen Einheiten einen Schläger zu identifizieren, ist für Außenstehende wegen des einheitlichen Aussehens der Beamten nahezu unmöglich. Eine individuelle Kennzeichnung der einzelnen Beamten, wie sie von Bürgerrechtlern gefordert wird, würde die Wiedererkennung immens erleichtern, wird von Polizeipräsident Glietsch aber nicht für erforderlich gehalten.

Ihm sei in seiner dreijährigen Dienstzeit kein Fall bekannt geworden, wo die Aufklärung einer Straftat an der mangelnden Kennzeichnung eines Beschuldigten gescheitert sei, so Glietsch zur taz (siehe Interview). Dass es in der Vergangenheit Fälle gab, in denen die gesamte Kollegenschaft den Täter in den eigenen Reihen gedeckt hat, interessiert ihn nicht. „Ich muss die Probleme von heute lösen.“ Nebenklagevertreter Kaleck hat anderes beobachtet: „Die Beamten sagen nach wie vor nur ungern gegen die eigenen Kollegen aus“.

Die Chancen, einen uniformierten Schläger zur Rechenschaft zu ziehen, steigen laut Kaleck erst, wenn es unbeteiligte Tatzeugen – Passanten oder Nachbarn – gibt. So ist es auch im Fall des Palästinensers. Die Anklage beruht vor allem auf den Aussagen dreier unbeteiligter Augenzeugen. Die angeklagten Polizisten haben die Vorwürfe bislang bestritten oder dazu geschwiegen. Der Nebenklagevertreter spricht von einem besonderes krassen Fall: „Khaled M. steht ganz ruhig da. Die Beamten kommen angefahren, steigen aus und kloppen ihn zusammen. Das wirkt geradezu vorsätzlich.“