Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Der Independent bezeichnete ihn Ende der 1990er als den „Hohepriester des Fluxus“ – Francesco Conz (1935–2010) war mehr als ein Sammler – nicht nur von Fluxus-Künstler*innen, sondern auch vom Wiener Aktionismus, Lettrismus und der Konkreten Poesie. Eng arbeitete er als Publizist von Multiplen und Galerist mit den Künstler*innen zusammen. Der Nachwelt hat er eine einmalige Sammlung von über 3.000 Objekten, Dokumenten und Editionen hinterlassen, die seit Juli 2017 von Supportico Lopez vertreten wird. Auch die aktuelle Ausstellung der Galerie „A Matter Of Printing“ ist vom Archivio Conz gespeist, ergänzt von Arbeiten heutiger Künstler*innen und Dichter*innen. Es ist ein fantastisches Sammelsurium, eine Wunderkammer der großen und kleinen Kunstwerke. Eigentlich unfair, einzelne herauszugreifen, den mit Telefonen bestückten Flügel von Allan Kaprow etwa oder die Himmelsaquarelle von Geoffrey Hendricks, Milan Knížáks Keramikzoo, Carolee Schneemanns Plexiglasobjekt „More Than Meat Joy“ oder oder. Zum Vormerken: Zum Gallery Weekend gibt es ein Performanceprogramm zur Ausstellung (bis 29. 4., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Kurfürstenstr. 14b).
Dass es ausgerechnet hier, in der ehemaligen Kirche St. Agnes und heutigen König Galerie hängt – bzw. liegt –, macht es noch kolossaler, das goldlackierte Schuldbekenntnis Monica Bonvicinis. Es ist die überdimensionierte Version einer jener ohnehin schon überdimensionierten Bling-Bling-Rapper-Ketten, auf der das Wort „Guilt“ steht. Assoziativ verzahnen sich in ihren Gliedern das komplexe Schuldkonzept des Christentums, das patriarchale Gangsta-Geprotze des HipHop und eine gute Portion Kapitalismuskritik. Bonvicinis Ablasshandel bietet sich nämlich durchaus als massentaugliches Konsumgut an: Ein Baseballcap mit „Guilt“-Branding gibt es schon für 50 € (bis 15. 4., Di.–So. 11–19 Uhr, Alexandrinenstr. 118–121).
Bei Mehdi Chouakri treffen zeitgleich zwei Generationen feministischer Kunst aufeinander: VALIE EXPORT (geboren 1940) und Sylvie Fleury (geboren 1961). Radikal waren und sind sie beide. Das lässt sich in der Galerie überprüfen – falls irgendwer daran zweifelte. EXPORT steuert unter anderem die ikonische Fotografie ihrer im Schritt offenen „Aktionshose: Genitalpanik“ bei, Fleury schießt sich derweil mehr auf den zeitgenössischen Konsumrausch ein. Im wahrsten Sinne des Wortes, lässt die Künstlerin doch im herrlichen Video „Cristalle Custom Commando“ amazonengleiche Models mit Gewehren Chanel-Handtaschen zerfetzen (bis 14. 4., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Bleibtreustr. 41).
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