DER EINHEITLICHE ARBEITSSCHUTZ HILFT GEGEN STANDORT-KONKURRENZ
: Lustig, diese EU-Sonnenschein-Richtlinie

Die Menschen hätten genug von der Regulierungswut und der Bevormundung aus Brüssel, sagen die konservativen Gegner der geplanten Arbeitsschutzrichtlinie gegen optische Strahlung. Einige EVP-Abgeordnete scheuten sich gestern nicht, die Polemik der Klatschpresse zu übernehmen, und wetterten gegen die von Brüssel geplante „Sonnenschein-Richtlinie“ – eine Biergarten-Kellnerin solle auch in Zukunft selber darüber entscheiden dürfen, wie tief ihr Dekolleté ausfällt!

Das darf sie – und die Abgeordneten wissen es ganz genau. Sie wissen auch, dass sich der Richtlinien-Entwurf zu großen Teilen auf künstliche optische Strahlung wie Laser oder UV-Lampen bezieht. Der eingängige Name Sonnenschein-Richtlinie führt daher grob in die Irre. Der Arbeitgeber soll lediglich verpflichtet werden, die Einflüsse natürlicher Strahlung zu berücksichtigen und den Arbeitnehmer über das Risiko aufzuklären. Sich angesichts steigender Hautkrebsraten bei Land- und Bauarbeitern über einen solchen Gesetzesvorschlag lustig zu machen, ist zynisch.

Einige Abgeordnete beteiligen sich an dem gefährlichen Spiel, den Bürokraten in Brüssel den schwarzen Peter zuzuschieben. In Wirklichkeit stammt der jetzt vorliegende Entwurf zur optischen Strahlung von Rat und Kommission gemeinsam, wird also von den Regierungen der Mitgliedstaaten mit getragen. Sie sehen darin offensichtlich keine Existenzgefahr für die kleinen und mittleren Unternehmen und keinen Nachteil für den Standort Europa.

Die Menschen wollen keine sinnlosen Vorschriften aus Brüssel, das stimmt. Sie wollen aber, dass Arbeitnehmerrechte EU-weit geregelt werden, damit Arbeits- und Standortbedingungen in allen Ländern des Binnenmarktes gleich sind. Dazu braucht es Einheitlichkeit. Wer aus den gescheiterten Verfassungsreferenden des Frühjahrs folgert, wieder mehr den nationalen Gesetzgebern zu überlassen, der setzt das falsche Signal. Die Verfassungsgegner in Frankreich wollten mehr Arbeitnehmerschutz auf EU-Ebene, nicht weniger.

DANIELA WEINGÄRTNER