wortwechsel
: Wo gehobelt wird, da fallen eben Spä(h)ne!

Jens Spahns überhebliche Worte zu Hartz IV lösten eine Debatte aus: Soll das Arbeitslosengeld II abgeschafft werden und wie kann es ersetzt werden?

Kopfüber gestapelte Bürostühle im Jobcenter Berlin-Mitte. Wie soll es weitergehen? Foto: Heinrich Holtgreve/Ostkreuz

„Das Ende von Hartz IV“, taz vom 29. 3. 18

Am Ende der Rutsche

Will die SPD das Thema loswerden oder lösen? Das zu diskutierende Grundeinkommen könnte durch Wegfall der Mietleistungen sehr bald für die Betroffenen die schlechtere Lösung werden. Auf erträgliche Mieten ist nach dem Verkauf der Neuen Heimat in ferner, dem Verkauf von Sozialwohnungen in jüngerer Vergangenheit nicht zu hoffen. Das gut durchgerechnete Grundeinkommen-Modell der Linken geht von heutiger Vollbeschäftigung aus.

Das Wirtschaftsmodell 4.0 sagt anderes voraus. Die Angst der Parteien vor weiterer AfD-Wanderung wird Änderungen bringen. Die Angst von Bürgern, zum Beispiel Bankangestellten an Schaltern oder in der Beratung, von der Automatisierung verdrängt zu werden, ist realistisch. Am Ende der Rutsche des Arbeitsmarkts droht Hartz IV, doch erst nach Verzehr aller eignen Sicherheiten. Diese Regelung ist nicht tragbar und wird als ungerecht und unzumutbar empfunden. Sie ist so von der Gesellschaft im Ganzen nicht gewollt. Klaus Warzecha, Wiesbaden

Befreit vom Zwang

Besten Dank für die Seite 3 am 29. März! Gute Idee, die Kompetenz von Inge Hannemann (ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin und heutige Linke-Politikerin) hinzuzuziehen. Jobcenter-Mitarbeiter Sebastian Koch scheint für einen repressiven Staat zu stehen, nicht für den Vorsorgestaat, der unserem Grundgesetz zugrunde liegt. Sind wir laut Grundgesetz der Souverän oder benötigt die Demokratie ein „Instrument, um Mitwirkung einzufordern?“ Aber taz-Autor Jörg Wimalasena kontert ja gekonnt mit dem Hinweis auf ein festes Einkommen und dem Abbau von Ängsten, die in dem bestehenden System impliziert sind.

Dass der Konsum steigen dürfte und sich die Wirtschaft sozusagen selbst saniert, dürfte der volkswirtschaftlichen Sichtweise von Ulrike Herrmann entgegenkommen. Ein Paradoxon, dass wir weiter arbeiten „müssten“, sehe ich allerdings nicht. Durch Arbeit entstehen soziale Kontakte, entsteht Selbstwertgefühl. Können Sie sich ein Leben ohne Arbeit vorstellen? Ich mir nicht! Ich will arbeiten! Befreit vom Zwang – wäre allerdings erstrebenswert. Auf jeden Fall müsste die Umstellung schrittweise erfolgen.Norbert Voß, Berlin

Rückkehr in die 90er

„SPD rüttelt an Hartz IV – ein kleines bisschen“, taz vom 27. 3. 18

Abschied der SPD von Hartz IV? Wieso denn plötzlich das? Aber nein, darum geht es gar nicht. Es geht darum, die im Koalitionsvertrag vereinbarten 150.000 geförderten Arbeitsplätze und damit rund eine Milliarde Euro Bundesmittel pro Jahr umzuleiten für „gesellschaftliche Tätigkeiten, die vorher für die Kommunen nicht finanzierbar waren“ (Michael Müller). Ergebnis wäre die Verhinderung des vereinbarten sozialen Arbeitsmarktes mit Beteiligung von privatwirtschaftlichen Arbeitgebern und marktorientierten sozialen Beschäftigungsinitiativen.

Was sich mit Formulierungen wie „solidarisch“ und „Grundeinkommen“ so modisch gibt, bedeutet die Rückkehr zu kommunalen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Entwertung von sechs Jahren konzeptioneller Arbeit und Modellversuchen mit Evaluationen zum sozialen Arbeitsmarkt. Rückkehr in die 90er Jahre mit einem hermetisch abgeschotteten „zweiten Arbeitsmarkt“. Oder soll es tatsächlich so etwas wie ein Recht auf geförderte Arbeit für alle Langzeitarbeitslosen geben, die das wollen? Aber dann wäre ein Vielfaches der im Koalitionsvertrag vereinbarten Summe erforderlich. Matthias Knuth, Hattingen

Keine Heilsbringer

„Hartz IV muss ersetzt werden“, 14. 3. 18

Wenn Politik auf das Subjekt und das gesunde Individuum gerichtet zu sein bestimmt ist, dann ist Jens Spahn gerade im Bereich Gesundheit sein eigener erster Adressat.

Wer sich in einem derart geistig-sozialen und subalternen Zustand befindet, wie aus Spahns Äußerungen über Hartz IV über ihn daselbst abzulesen ist, der sollte unbedingt und dringend den nächsten Arzt aufsuchen.

Stattdessen wird er als Minister vereidigt – zum Wohle einer Bevölkerung von mehr als 80 Millionen –, und wenn es nicht so unsäglich ernst um die „unteren“ zehn bis zwanzig Prozent unserer Mitbürger bestellt wäre, könnte schallendes Gelächter die einzig adäquate Antwort sein und bleiben. Aber wo gehobelt wird, da fallen halt die Spä(h)ne!

Sogar das Diktum des bayerischen Kabarettisten Helmut Schleich bezüglich der Tafeln („Das Überflüssige für die Überflüssigen“), ist der neue Gesundheitsminister dabei ad absurdum zu führen, sprich: überflüssig zu machen. Und erwartbar ist zudem, dass der ebenfalls gerade inthronisierte Minister für Arbeit und Soziales sich nicht gerade als der Heilsbringer der ohnehin schon Prekarisierten entpuppen wird.

Es fällt schwer, das Gefühl des Menetekels für unsere nähere Zukunft von sich fern zu halten, wenn in die neue Regierung auch noch ein Minister für Inneres, Heimat und Bau berufen wurde, welcher als Ministerpräsident von einem der reichsten Länder Deutschlands sich nicht eben mit sozialer Kompetenz hervorgetan hat. Stattdessen bellt er seit seinem Amtsantritt mit weiterführenden Grenzziehungen umeinander, und das recht wohlfeil angesichts der anstehenden bayerischen Landtagswahlen, eben gerade wie ein Wachhund am Halseisen der AfD. „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“Joachim Lobewein, Seehausen am Staffelsee