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Aleksandar Zivanovic Ausgehen und rumstehenErst kam der Car Freitag, dann der Heilige Geist

Ist nicht mehr lieferbar, limitierte Auflage“, sagt der eine zum anderen und deutet auf die Felgen seines Mercedes. Es ist Karfreitag. In Spandau auf dem Parkplatz des Baumarkts Bauhaus ist „Car Freitag“, hier treffen sich Fans getunter Autos. Sie tauschen sich über Friesierungen, Folierungen, Zulassungsgeschichten und andere Dinge aus, von denen Menschen, die sich wenig mit Autos befassen, keine Ahnung haben.

Etwa 150 Autoliebhaber sind gekommen, vorwiegend Männer. Sie flanieren bei sehr schönem Wetter zwischen den Autos umher. Hier und da wird mal die Haube geöffnet, der Motor begutachtet, analysiert und darüber gesprochen, was man noch alles so tun könnte und was man auf keinen Fall tun sollte. „Ist nicht mehr lieferbar, limitierte Auflage“, sagt der eine zum anderen und deutet Richtung Zylinder, Haube wird zugeklappt.

Viele Autos haben Aufkleber, auf denen Sprüche stehen. „In diesem Auto schnallt man sich nicht an. Hier wird ordentlich gestorben!“, steht beispielsweise auf einem Wagen geschrieben. Oft gibt es den Spruch „Leider geil“ zu sehen, vermutlich eine Quasi-Antwort auf die Blicke der Menschen, die sich die aufgemotzten Autos ­– teilweise in Tarnfarbenlook oder mit Batman und Joker drauf – mit hochgezogenen Augenbrauen anschauen. Sehr selten hört man Motoren aufheulen, dann aber brummt, furzt und scheppert es ordentlich.

An Karfreitag soll es ja eigentlich ruhig bleiben, vermutlich aus diesem Grund also fährt eine Polizeistreife alle paar Minuten vorbei, um die „Car Freitag“- Teilnehmer an die Regeln zu erinnern. „Wem jehört denn der weiße XPler dort drübn?“, fragt einer, zieht dabei die Sonnenbrille aus, um genauer schauen zu können, was er da glaubt zu sehen. (Vielleicht hat er nicht XPler gesagt, sondern etwas anderes … XTler vielleicht.) „Dat ist doch dem Markus seiner! Lang nicht mehr jesehn.“ Er freut sich, und seine drei Freunde, die ähnlich wie er mit stark durchgedrücktem Rücken, dicken Armen, kurzen Haaren, Sonnenbrillen, Fitnessclubjogginghosen und Energydrink in der Hand unterwegs sind, freuen sich ebenso, sie gehen Richtung Markus. Wir gehen nach Hause.

Am Samstagabend sind wir im Circus Lemke in der Selchower Straße in Neukölln. Es ist voller als sonst und einige Menschen haben sich verkleidet. Beispielsweise als Riesen-Osterhasis. Eine ist da, die hat sich als Heiliger Geist verkleidet, was für mich auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen war, mein Sitznachbar aber meinte: Doch, doch. Zwei andere haben sich als der Tod verkleidet, mit schwarzer und weißer Schminke im Gesicht. Warum die Verkleidung? Das Motto dieses Abends ist: Gib den Löffel ab.

Immer wieder kommen daher Gäste herein und geben bei den Menschen hinter dem Tresen einen Löffel ab, das ist der Eintritt für die Party. Nach mehr als 8 Jahren muss diese sehr nette kleine Bar, in der die Cocktails toll schmecken und die Musik sehr gut ausgewählt ist, Ende Mai schließen. Das ist eine überaus schlechte Nachricht und sehr, sehr traurig.

An diesem Abend aber wird sehr viel gelacht, umarmt, geknutscht, geflirtet und manchmal auch getanzt zu Beyoncé, Prince, Black Sabbath, TLC, Bruce Springsteen, Queen, Michael Jackson, Trio, Roxy Music, Fleetwood Mac, Kendrick Lamar, Guns N’ Roses oder auch zum Rauch-Haus-Song von Ton Steine Scherben, „Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus!“. Alle sind irgendwie guter Dinge. Dabei gibt es diesen tollen Ort nur noch ein paar Wochen. Hoffentlich finden die Circus-Lemke-Menschen bald etwas Neues, sie haben es nämlich drauf! Draußen ist es grau, es regnet.

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