Brit-Pop. Blues. Geht immer, auch in Berlin. Neues (vertraut nach Althergebrachtem Klingendes) von Seastone und Samavayo

Die Globalisierung ist bekanntlich nicht mehr aufzuhalten, hat aber auch ein paar nette Nebenwirkungen. Sie führt beispielsweise dazu, dass ein in Deutschland lebender Kanadier seine neue Heimat mit prima Brit-Pop beglückt, obwohl er heißt wie der Sänger einer US-amerikanischen Rockband.

Christopher Robinson, den man nicht mit seinem prominenteren Namensvetter von den Black Crowes verwechseln sollte, kam schon in den späten neunziger Jahren nach Berlin und spielte in Bands, die Lato oder Spy hießen, aber niemals auch nur annähernd so bekannt wurden, wie die Black Crowes damals schon waren. Sein neues Projekt hat Robinson Seastone genannt. Falls der Bandname auf „Seastones“ anspielen sollte, ein bis heute ziemlich futuristisch klingendes Experimentalalbum des Elektronikmusikpioniers Ned Lagin aus den Siebzigern, dann ist das auf dem schlicht „Seastone“ betitelten Debüt allerdings kein bisschen zu hören. Trotz des Songs „A Piece of the Universe“ liegen Robinsons Inspirationsquellen nicht im Weltraum, sondern sehr eindeutig in Großbritannien: Mal klingen Seastone wie Oasis (bloß ohne deren prollige Rotzigkeit), mal wie Blur (aber ohne der intellektuellen Verspieltheit), mitunter sogar ein bisschen wie The Jam (mit deren Paul Weller unser Herr Robinson schon mal auf Tour gehen durfte) und natürlich, das lässt sich in dieser Ahnenreihe wohl nicht vermeiden, sogar ein wenig wie die Beatles.

Man darf nur nicht so genau hinhören, was Robinson da singt. Denn in seinen Songs setzen Frauen Segel, um auf dem Meer im Herzen des Sängers herumzusegeln, und versteckt sich der Himmel in den braunen Augen der Geliebten. Eine Menge gebrauchter Metaphern also, aber die Musik ist ja auch nicht eben auf dem Weg in die Avantgarde. Andererseits: Von einem so versiert aufbereiteten Brit-Pop wie hier kann man natürlich gar nicht genug bekommen.

Christopher Robinson, diesmal aber der berühmte, dürfte auf einer Liste von Einflüssen, die Samavayo beschäftigen, einen Spitzenplatz einnehmen. Vor den Black Crowes müssten allerdings noch Led Zeppelin platziert sein. Es geht jedenfalls auch auf „Soul Invictus“, dem vierten Album der Berliner Band, um den Blues, auch wenn die sich einen Namen aus dem indischen Sanskrit aussucht und Musik spielt, die wiederum in Großbritannien beheimatet ist.

So verwirrend, wie das jetzt klingt, ist die Musik allerdings noch lange nicht. Das rockt ganz prächtig und der Rhythmus ist immer gerade so schnell, dass man das mittellange Haupthaar gut schütteln kann. Im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen aber treffen Samavayo diesmal nicht nur die Töne, sondern auch den Tonfall. Soll heißen: Früher stimmte schon das Handwerk, nicht aber immer die Haltung. Auf „Soul Invictus“ aber klingen Samavayo endlich exakt so, wie sie immer schon klingen wollten: Wie eine US-Band, die den Moment nachstellt, als britischen Bands in den Siebzigern den auf amerikanischen Blues bauenden Hard Rock zum Heavy Metal umbauten. Dank dir, Globalisierung. THOMAS WINKLER

■ Seastone: „Seastone“ (El Muto/Broken Silence), live: 19. 10. Zosch, 20. 10. KingKongClub, 25. 10. Intersoup, 26. 10. Magnet

■ Samavayo: „Soul Invictus“ (Setalight/Rough Trade), live: 20. 10. Waschhaus Potsdam, 3. 11. Magnet