Thomas Mauch hört auf den Sound der Stadt

So im Nachklapp zum Besuch von Simon Reynolds in der Stadt, der sich in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Buch mit der Vergangenheitsfixierung im Gegenwartspop beschäftigt, empfiehlt sich am heutigen Freitag gleich mal der Besuch im Bassy, wo man die „Retromania“ bestens mit Leben füllen kann. Mit Surfmusik. Eine Doppelwelle, die Kilaueas und Surfer Joe & His Boss Combo, die beide recht klassisch an die Arbeit gehen für eine Musik, die einfach so tut, als könne man ganz arglos die Arglosigkeit des frühen Pop nachempfinden. Aber natürlich darf man Surf in seiner strengen Formelhaftigkeit auch als Zen-Verdichtung einer Minimal Music hören. Und dann die Kunst. Irgendwie. Mit dem Kilimanjaro Darkjazz Ensemble aus Rotterdam, am Sonntag im Festsaal Kreuzberg, das unter dem Stichwort Doomjazz abgeheftet wird. Musik in einem abgedunkelten Raum, mit zugezogenen Samtgardinen, auf den Tischen Spitzendeckchen und Kerzenkandelaber. Elegisches Klaviergeklimper, Artrock-Brocken, Neue-Musik-Vermutungen. Geschmackvoll oder geschmäcklerisch, je nach Stimmungslage. Gothic für kulturell Aufgeklärte, zu dem es an dem Abend mit The Mount Fuji noch ein improvisierendes Kilimanjaro-Seitenprojekt dazu gibt. Am Montag singt im kleinen Crystal-Club Nanne Emelie, die als dänische Antwort auf Norah Jones annonciert wird. Auch eher so eine Retro-Kiste, und statt Jones darf man auch Dusty Springfield nennen, um in etwa den musikalischen Rahmen der Sängerin abzustecken. Also schon mit Soul und Nachtclub-Balladen. Glitzer und Schmelz mit Jazz-Sensibilitäten. Manchmal vielleicht fast ein wenig zu elegant fingerschnippend und zu geschmackvoll. Was aber dann am Mittwoch mit Chain and The Gang im Festsaal Kreuzberg einfach wieder weggewischt werden kann mit einem schrundigen Garagen-Rock-’n’-Roll-Soul, der live immer noch am besten funktioniert. Zumindest, wenn ihn einer wie Ian Svenonius zelebriert, der in früheren Popzeiten möglicherweise ein James Brown und Hitparadenstar geworden wäre und in gegenwärtigen Zeiten halt ein Fixpunkt des Underground mit Bands wie Nation of Ulysses, The Make-Up, Weird War und eben Chain and The Gang. Wer bei einem Auftritt dieses Mannes nicht ins Schwitzen kommt und wenigstens ein Konzert lang nicht bereut, seine Zeit sonst für andere Musiken verschwendet zu haben, hat halt einfach gar nicht zugehört und wahrscheinlich noch nicht einmal ein Herz.

■ Kilaueas, Surfer Joe & His Boss Combo: Bassy, Fr., 22 Uhr

■ Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: Festsaal Kreuzberg, So., 21 Uhr. 14 €

■ Nanne Emelie: Crystal, Mo., 21 Uhr. VVK: 15 €

■ Chain & The Gang: Festsaal Kreuzberg, Mi., 21 Uhr. 13 €