: Das Allesmacher-Prinzip
„Projekt 17 – Fünf Träume, Küche, Bad“ ist ein gut zwei Stunden langer Spielfilm, den die „Theater AG Hipstedt“mit viel Liebe produziert hat. Gedreht haben sie in nur acht Tagen – mit einem wirklich klitzekleinen Budget
Von Wilfried Hippen
Die Filmkunst ist ein teures Pflaster. Zumindest war das bisher so. Aber es ändert sich, denn mit der Digitalisierung fallen die hohen Kosten für das Filmmaterial weg und für Gewerke wie Schnitt, Musik und Tonbearbeitung reicht ein Heimcomputer. Aber auch unter diesen Bedingungen ist die Leistung der Theater AG Hipstedt rekordverdächtig, denn die 25 Vereinsmitglieder haben ihren 124 Minuten langen Spielfilm „Projekt 17 – Fünf Träume, Küche, Bad“ für gerade mal 2.500 Euro produziert.
Für das Ausleihen des Equipments, also Kameras, Mikros, für Verpflegung, Unterkunft, Requisiten und Fahrkosten wurde dieses Geld gebraucht. Und da alle im Team und die Schauspieler ehrenamtlich arbeiteten, betrugen die Kosten nicht mehr als 20 Euro pro Filmminute. Und dabei kann man hier nicht einmal von Selbstausbeutung sprechen, denn allen machte es Spaß, die Strapazen einer nur acht Tage langen Drehzeit auf sich zu nehmen.
„In den Sommerferien ist das Filmedrehen mit Freunden der Höhepunkt des Jahres“ sagt Simon Dreesch-Rosendahl, der nicht nur eine der Hauptrollen gespielt, sondern auch beim Drehbuch und beim Schnitt mitgeholfen hat. Er war zehn Jahre alt, als er bei seinem ersten Film mitgespielt hat.
Die Theater AG Hipstedt wurde vor 15 Jahren von einer Gruppe 14-Jähriger gegründet. Zuerst spielten sie in der Kirchengemeinde Theater und seit 2006 haben sie sechs Filme gemacht, die von Jahr zu Jahr immer länger und ambitionierter wurden. 2016 hatten sie mit dem Horrorfilm „Im Schatten des Waldes“ ihren bisher größten Erfolg – er kam bei einem Filmfestival in Österreich immerhin in die Pre-Selection.
Beim nächsten Projekt wollte Daniel Klotzek weg vom Schmuddel-Image des Genre-Films und eine „Tragikkomödie für die breite Masse“ machen. Klotzek ist der Kopf des Projekts. Als Teenager war er einer der Gründer der AG und inzwischen ist er 30 Jahre alt und Lehrer. Vor allem aber ist er der Regisseur, Drehbuchautor, Schnittmeister und Kassenwart. Er betreut die Facebook-Seite des Vereins, organisiert die Arbeit in allen Gewerken – ist also der, an dem die meiste Arbeit hängenbleibt.
Ein bei solchen Allesmachern übliches großes Ego scheint er dagegen nicht zu haben, denn die kreativen Entscheidungen werden in der Gruppe getroffen. Und nur so erklärt es sich, dass es die Theater AG Hipstedt immer noch gibt und dass sie aus reiner Freude am Filmemachen solche Werke wie Projekt 17 schafft, die an professionellen Maßstäben gemessen manchmal ein wenig ungeschickt inszeniert, aber auch viel mehr als Amateurarbeiten sind.
Die DarstellerInnen sind keine ausgebildeten SchauspielerInnen und das merkt man schon. Aber es gibt keine peinlichen Momente, bei denen sie sich deutlich verheben – manchmal müssen sie nur mit dem vielen Text kämpfen, aber bei nur acht Drehtagen ist alleine das Auswendiglernen der Dialoge auch eine sportliche Leistung.
Eine leicht surreale Note bekommt der Film dadurch, dass alle Darsteller, weil sie mit und in der AG groß geworden sind, etwa im gleichen Alter zwischen 25 und 30 Jahren sind, sodass es im gesamten Film nicht einmal einen Statisten gibt, der auch nur so aussieht, als wäre er 40 oder 60 Jahre alt.
Da bietet es sich an, eine Coming-of-Age-Geschichte über nicht mehr ganz junge Menschen zu erzählen, und genau dies wird hier in Projekt 17 (dem Filmprojekt des Jahres 2017) auch getan. Die fünf Protagonisten wissen nicht, was sie mit ihren Leben anfangen sollen. Jeder und jede von ihnen hat einen Traum, aber nicht den Mut, ihn zu verwirklichen. Emily ist die Tochter eines Immobilienmaklers, will aber nicht in dessen Firma arbeiten, sondern lieber Gutes tun. Sam ist ein sarkastischer Intellektueller, der gerne Schriftsteller wäre, Maja ist eine Mutter, die sich gerne gegen ihren prügelnden Ehemann wehren können würde, Helmut lebt alleine mit seinem Kind und würde gerne Torten backen und Vanessa haut als Autistin aus einer geschlossenen Klinik ab und würde gerne als Sängerin auftreten. Weil Emily ihrem Vater ein Einfamilienhaus abschwindelt, können alle fünf zusammen dort wohnen und in diesem „Wolkenkuckucksheim“ versuchen, das für sie richtige Leben zu führen.
Fünf Hauptfiguren mit jeweils ganz eigenen Geschichten sind ein wenig viel, und so wirkt der Film etwas überladen und textlastig. Zudem gibt es noch einen überflüssigen Erzählstrang mit einer Filmstudentin, die ihren eigenen Film über die Wohngemeinschaft macht, aus dem dann Interviewsequenzen in Schwarzweiß als „Film im Film“ einmontiert sind. Dieses Übermaß an Themen, vor allem aber Figuren, erklärt sich dadurch, dass das Drehbuch für die Gruppe maßgeschneidert wurde. Klotzek und seine Mitautoren sind davon ausgegangen, wie viele von ihren Freunden gern eine große Rolle spielen wollten, und haben ein entsprechendes Drehbuch geschrieben. Und weil alle viel und umsonst am Film mitgearbeitet haben, wäre es „gemein“, so Klotzek, gewesen, bei der Postproduktion einen von ihnen aus dem Film wieder herauszuschneiden.
„Bei Projekt 17 vergisst man beim Zuschauen nie die ganz speziellen Produktionsbedingungen, aber dies ist auch so intendiert. Klotzek hat gar ein paar Fehler nicht korrigiert, um zu zeigen, was die AG Theater Hipstedt kann und wo ihre Grenzen liegen. Und im Grunde spiegelt der Inhalt des Films ja auch die Situation der Macher: Sie sind eine Gruppe von jungen Menschen, die zusammen ihre Träume vom Filmemachen verwirklichen.
Im April geht die Theater AG Hipstedt auf Kinotour nach Hipstedt, Hasefeld, Brake Bremervörde und Oldenburg. Die DVD kostet 10 Euro.
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