… BERLINS OBERSTER TOURISTENWERBER?
: Die Reiherradler aus dem Sattel kippen

Man sitzt hochkonzentriert am Rechner, der Redaktionsschluss naht. Und dann ist da plötzlich diese Geräuschwolke, die von der Straße langsam nach oben steigt. Das leise Grummeln geht ins Gröhlen über – alles unterlegt mit musikalischen Darbietungen aus Lautsprechern und Fahrradgeklingel. Nicht nur grambeugte Zeitungsredakteure: alle, die häufig in der Innenstadt unterwegs sind, kennen diese extrem nervigen und extrem langsam rollenden Bars auf Rädern, kurz Bierbikes genannt.

Nun will Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) die Saufgefährte nur noch eingeschränkt zulassen. Unterstützung erhält er dabei von Burkhard Kieker, Geschäftsführer des Tourismusportals visitBerlin, das die Hauptstadt vermarktet. Für den touristischen Erfolg Berlins seien Bierbikes „komplett überflüssig“, glaubt Kieker. „Die fördern ein Ballermann-Image, das nichts mit Berlin und unserem Ansehen in der Welt zu tun hat“.

Doch vielleicht ist es auch einfach eine Frage der Toleranz. Denn möglicherweise nützen Bierbikes dem Tourismus mehr, als den meisten BerlinerInnen bewusst und lieb sein kann. Rund 85 Prozent der Biker kämen aus dem Ausland, schätzt Geschäftsführer Ulrich Hoffmann-Elsässer, dessen Firma sechs Bierräder in Berlin anbietet. „Die kommen aus England, Norwegen, Australien – aus der ganzen Welt!“, so Hoffmann-Elsässer zur taz. Mal so richtig einen hinter die Binde kippen und dabei durch Straßenschluchten radeln, die einst durch eine Mauer getrennt wurden – welcher Tourist dürstet nicht danach?

Vielleicht sind Bierbikes nur ein notwendiges Übel, das die Stadt dulden sollte. Und möglicherweise schadet es dem Ansehen der Möchtegernmetropole in der Welt weniger als eine Großflughafengroßbaustelle vor der Stadt. JOK    Foto: Archiv