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Erlebtes im Gepäck

Vorangegangene Therapieerfahrungen beeinflussen den Erfolg künftiger Behandlungen: Das haben ForscherInnen am Hamburger Uniklinikum nachgewiesen

Erfahrungen, die PatientInnen im Zusammenhang mit früheren Behandlungen gemacht haben, können sich auf künftige Therapien auswirken. Erwartet jemand aufgrund zahlreicher guter Vorerfahrungen einen positiven Behandlungsausgang, tritt dieser auch wahrscheinlicher ein als bei bislang eher gemischten Erlebnissen. Solche Zusammenhänge zwischen Behandlungserwartungen und künftigen Therapien haben WissenschaftlerInnen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichte in dieser Woche das Online-Fachmagazin „eLife“.

Viele Patienten bringen einen „Rucksack“ an Behandlungserfahrungen mit zum Arztbesuch. „Diese Erfahrungen spielen eine große Rolle für die bevorstehende Behandlung“, sagt Studienleiterin Arvina Grahl vom Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE. Wenn im Vorfeld einer Therapie der behandelnde Arzt eine genaue Analyse bisheriger Behandlungserfahrungen erhebe und diese mit dem Patienten bespreche, könne dies Einfluss auf die Therapie haben: „Wir haben in unserer Studie Erwartungen imitiert, um herauszufinden, ob auch Placebo-Effekte – also körpereigene Mechanismen zur Schmerzlinderung – durch diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen beeinflusst werden können.“

In der zweiphasigen Studie wurden zwei Probandengruppen gebildet. Beiden Gruppen wurden Schmerzreize mittels Hitze über die Haut zugeführt – eine scheinbare Reizstromtherapie. Die eine Gruppe erhielt dabei schwankende Reize, die andere erlebte durchweg den gleichen Schmerz. Die Idee: Die Gruppe mit den schwankenden Reizen würde der Scheintherapie aufgrund der erlebten Ungewissheit eine geringere Wirksamkeit zuschreiben.

Mit diesen unterschiedlichen Vorerfahrungen gingen dann beide Gruppen in die Testphase. Obwohl diesmal alle StudienteilnehmerInnen die gleichen Schmerzreize und die gleiche Scheintherapie bekamen, fiel ihr Urteil zur Wirksamkeit der Behandlung unterschiedlich aus. „Wenn ein Patient wiederholt positive Behandlungsausgänge erlebt hat“, so Grahl, „ist es wahrscheinlicher, dass er mit genauen Vorstellungen und entsprechenden Erwartungen in eine zukünftige Behandlungssituation geht und sich positive körperliche Reaktionen einstellen.“ Seien dagegen sowohl positive und negative Erfahrungen gesammelt worden, sei die Erwartung bezüglich eines zukünftigen Erfolgs eher ungewiss; Placebo-Effekte fielen geringer aus.

Welche Auswirkungen die Studienergebnisse beispielsweise für die Behandlung chronischer Schmerzpatienten haben kann, müsse nun erforscht werden, so Grahl. (taz)

https://elifesciences.org/articles/32930

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