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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Die Hetze ist beschämend

■ betr.: „Anerkennung? Keine Chance“, taz vom 17. 10. 12

Die Hetze, die im Moment gegen sogenannte Asylbewerber, also Flüchtlinge, betrieben wird, ist beschämend, und zwar für uns alle. Da wird, aus Mangel an sonstigen Themen zur Abgrenzung von konservativen gegenüber den linken Parteien für die bevorstehende Bundestagswahl behauptet, dass Deutschland unter einem, wie es der Innenminister Friedrich formuliert, „zunehmenden Asylmissbrauch“ leidet.

Selbst wenn stimmen sollte, was Herr Friedrich den Flüchtlingen unterstellt, muss man sich gleichzeitig vor Augen halten, was hier in Deutschland auf Flüchtlinge wartet: Residenzpflicht, Unterbringung in einem Wohnheim, Arbeitsverbot usw. Wenn es tatsächlich so ist, dass Flüchtlinge aus aller Welt nach Deutschland kommen, weil man hier neuerdings 134 Euro Taschengeld bekommt, dafür aber auch die eben genannten Einschränkungen – meist jahrelang – ertragen muss, dann muss es den Menschen in ihren Heimatländern vermutlich sehr, sehr schlecht gehen.

Populismus wie dieser führt zu mehr Rassismus, Ausgrenzung und Gewalt. Die Europäische Union hat gerade den Friedensnobelpreis erhalten. Vielleicht verhalten wir uns jetzt auch mal so, als hätten wir ihn verdient. JUDITH EDEL, Hildesheim

Ein kleines Land wie Belgien

■ betr.: „Separatisten feiern ihren Erfolg“ u. a., taz vom 16. 10. 12

Ich begrüße es sehr, dass ein kleines Land wie Belgien, das oft genug auf Brüssel, Bier und Autobahnen reduziert wird, Gegenstand der Berichterstattung ist. Leider erklingt im Zusammenhang mit dem Sieg der Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) bei den flämischen Kommunalwahlen wieder nur die Separatismus-, wenn nicht gar Extremismus-Platte. Das ist schade. Zunächst einmal sollte klar sein, dass, wenn man eine Partei „nationalistisch“ nennt, hierzulande so etwas wie NPD verstanden wird. Das ist irreführend, da die einzige mit der N-VA vergleichbare „Nationalpartei“ in unserem Land wohl der Südschleswigsche Wählerverband ist.

Auch mit den Flamen als den ewigen Separatisten ist das bekanntlich so eine Sache. Jahrzehntelange sprachlich-kulturelle Majorisierung durch das frankophone Brüsseler Establishment hinterlassen bis heute ihre Spuren. Die Drohung der prosperierenden Region Flandern, den belgischen Länderfinanzausgleich aufzukündigen, kennen wir auch von Markus Söder und Horst Seehofer, wenngleich sie die Forderung nach einer Unabhängigkeit Bayerns (bislang) nicht gestellt haben.

Mit Bart de Wever hat die N-VA den derzeit politisch klügsten und intelligentesten Politiker Belgiens zum Vorsitzenden. Wenn es auch weiterhin viele und gewichtige Argumente für die Einheit Belgiens gibt, dann müssen die etablierten Parteien, die daran interessiert sind, sie jetzt auf den Tisch legen. Sonst wird Flandern eben irgendwann unabhängig. PATRICK WILDEN, Dresden

Modell für künftigen Bundesstaat

■ betr.: „Separatisten feiern ihren Erfolg“, taz vom 16. 10. 12

Die Auflösung Belgiens könnte Modell werden für einen künftigen europäischen Bundesstaat. Flamen und Wallonien sind zu klein als Nationalstaaten, würden aber gute europäische Bundesländer sein. Brüssel bekommt einen eigenen Status als europäische Hauptstadt. Die nächsten Kandidaten für europäische Bundesländer wären dann das Baskenland, Schottland, Katalonien, Nordirland, Südtirol, Kreta und Bayern. Später dann Kurdistan. ANDREAS BURGER, Konstanz

Das Vorurteil als Selbstschutz

■ betr.: „Und ewig funktioniert das Vorurteil“, taz vom 17. 10. 12

Es ist freundlich, wenn die Bundesagentur für Arbeit die Hartz-IV-Betroffenen in Schutz nimmt.

Neben der Stimmung, die von Seiten der Politik immer wieder gegen Arbeitslose gemacht wird, gibt es aber auch einen psychologischen Faktor, der nicht unerwähnt bleiben sollte: das ist die Angst derer, die noch Arbeit haben, dass sie selbst in die Arbeitslosigkeit abstürzen. Das Vorurteil als Selbstschutz. Es nährt Phantasien über die eigene Kompetenz, da man ja noch Arbeit hat. Und es hindert die Menschen daran, sich rechtzeitig auf die Situation der Arbeitslosigkeit einzustellen. Dem entsprechen auf der anderen Seite die Phantasien derjenigen, die es bereits getroffen hat: sie neigen dazu anzunehmen, dass sie überhaupt nur ganz wenig Geld zum Leben brauchen, dass nun für sie eine große Zeit der Freiheit anbricht, oder Ähnliches. Aber leider gibt es kein richtiges Leben im falschen.

GERD BÜNTZLY, Herford

Kulturelle Ignoranz

■ betr.: „Hymnen schießen keine Tore“, taz vom 18. 10. 12

Volle Zustimmung zu Ihrem Artikel über die dämliche Hymnen-mit-sing-muss-Debatte für Fußballprofis! Vollen Widerspruch zu ihrem Verdikt, dass die deutsche Hymne „musikalisch öde“ sei.

Natürlich verliert diese Melodie ihre Schönheit nahezu vollständig, wenn sie von einer Bundeswehr-Kapelle getrötet wird. Es zeugt aber schon von reichlich kultureller Ignoranz, Haydns Adagio aus dem sogenannten Kaiserquartett als öde zu bezeichnen! Öde sind einige südeuropäische Krawallhymnen. Italien an erster Stelle! Das ist ein rein sachbezogenes Urteil und kein musikalischer Sarrazynismus! ULRICH SEIDEL, Lage