Studierende vor 6-Prozent-Hürde

NRW-Zukunftsminister Pinkwart stellt seine schwarze Liste vor: ab 2007 müssen ausnahmslos alle Studierenden 500 Euro pro Semester zahlen. Das Modell bricht ein Versprechen von Schwarz-Gelb

aus DÜSSELDORFANNIKA JOERES

NRW-Zukunftsminister Andreas Pinkwart wünscht sich den Kulturwandel: Der FDPler stellte gestern begeistert sein Modell für die zukünftigen Studiengebühren vor: Alle angehenden AkademikerInnen müssen 500 Euro pro Semester bezahlen. „Das wird die Hochschullandschaft nachhaltig verändern“, so Pinkwart. Die Universitäten würden sich um ihre Studierenden bemühen und diese um eine gute Uni. „Die Beziehung beruht künftig auf Leistung und Gegenleistung.“

Das Pinkwart-Modell soll für alle Studierenden ohne Ausnahme gelten, also auch für Bafög-EmpfängerInnen und EU-Ausländer. Damit bricht es mit der Koalitionsvereinbarung: Dort hatten CDU und FDP fest gelegt, dass Bafög-BezieherInnen nicht zahlen müssten. „Das war mal ein politisches Ziel“, sagte Pinkwart gestern lapidar. In der Umsetzung habe man aber jetzt gemerkt, dass diese Ausnahme „nicht wirklich gerecht sei“. Zu unterschiedlich seien die ausgeschütteten Fördersummen.

Pinkwart versuchte sich daran, die Studiengebühren als „gerade sozial“ zu deuten. Kein Wort fiel in der zweiten Pressekonferenz Pinkwarts als Minister häufiger als „sozial“: JedeR könne sozialverträglich einen Kredit bei der NRW-Bank aufnehmen. Dieser müsse erst nach dem Studium zurückgezahlt werden, zu einem sozialen Zinssatz von sechs Prozent. Die zu zahlende Höchstsumme werde auf 10.000 Euro begrenzt, so könne jede soziale Schicht studieren. „Das ist sogar sozialer als das, was wir uns vorgenommen haben.“ Manche AkademikerInnen seien auch nach ihrem Abschluss zu arm um die Schulden zu tilgen: Dies solle ein sozialer Ausfallfonds ausgleichen. In diesen Fonds sollen 23 Prozent aller eingenommenen Studienbeiträge fließen. Alle übrigen Erträge sollen bei den Hochschulen bleiben, dass sei auch sehr sozial.

Den Universitäten wird es selbst überlassen, ob sie die Gebühren überhaupt nehmen. Der ehemalige Wirtschaftsprofessor der Kölner Uni geht aber davon aus, dass sich fast 100 Prozent die Einnahmen nicht entgehen lassen. „Wir schätzen, dass rund 320 Millionen Euro jährlich für die Hochschulen dabei herausspringen.“

Die Gegenleistung für die Studierenden konnte Pinkwart allerdings nicht erklären. Er versprach, in den Satzungen der Hochschulen eine „Geld-zurück-Garantie“ zu verankern. Zum Beispiel, wenn zu wenig Laborplätze zur Verfügung stünden oder zu wenig Seminare angeboten würden. „Die Hochschulen sollen auf Beiträge verzichten oder sie zurückzahlen, falls unzureichende Studienbedingungen zu einer Verlängerung des Studiums führen.“ Allerdings wird es kein Gremium und keine Kontrolle des Landes über die Studienbedingungen geben. „Das ist zu viel Bürokratie“, sagte Pinkwart. Er vertraue darauf, dass die Studierenden ihre Rechte an der Uni einfordern können. An wen sie sich im Streitfall wenden könnten und wer dann über die Rückerstattung entscheidet, wusste der neue Minister nicht zu beantworten. Jedenfalls hält er Studentenbefragungen, wie es sie beispielsweise in den USA gebe, für „zu subjektiv“.

Das Studienkonten-Modell der abgewählten rot-grünen Landesregierung, nach dem Langzeitstudierende 650 Euro pro Semester zahlen mussten, will Pinkwart ab dem Sommersemester ersatzlos streichen. Seiner Meinung nach habe es viel weniger gebracht als erhofft.

Ob Pinkwarts Kulturwandel tatsächlich eintreten wird, ist fraglich. Zurzeit laufen an allen Unis im Lande Unterschriftenkampagnen gegen die Zusatzbelastung, Musterklagen werden ebenso vorbereitet. Und die Opposition warf Pinkwart umgehend Wortbruch vor. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) habe den jungen Menschen persönlich versprochen, dass Bafög-Empfänger keine Studiengebühren zahlen müssten, sagte SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft. Studiengebühren erhöhten die „sozialen Barrieren“. Doch Pinkwart hat „ein gutes Gefühl“: Die Leute auf der Straße wollten Gebühren und fänden es ungerecht, dass Kindergartenplätze teurer sind als Studienplätze. Deswegen sei es sozial, die Unis zu verteuern.