wortwechsel
: Eine friedliche Region wird zur Kampfzone

Die türkische Militäroffensive in Nordsyrien ist völkerrechtswidrig. Die PKK sollte man nicht pauschal als Terrorgruppe ansehen. Die Verlogenheit des Westens wird entlarvt

Afrin, 18. März Foto: Khalil Ashawi/reuters

Rückzugsort fällt weg

„Afrin wird von türkischen Truppen eingekreist“, taz vom 5. 3. 18

Es ist einfach unerträglich und empörend, wie Präsident Erdoğan nun seinem Verfolgungswahn gegen die Kurden auch auf syrischem Gebiet freien Lauf lassen kann und niemand ihm Einhalt gebietet. Ähnlich dem syrischen Präsidenten al-Assad wird jeweils vorgegeben, gegen Terroristen vorzugehen, aber in den kurdischen Gebieten in der Türkei wurden seinerzeit bei dem brutalen Vorgehen auch ganze Stadtteile in Schutt und Asche gelegt.

In Syrien ist die Situation besonders prekär, da al-Assad weiterhin gnadenlos die Ost-Ghouta bombardiert. Wenn im Norden Syriens die Kampfzone ausgeweitet wird, fällt auch dieser bisherige Rückzugsort weg. Wie kann das sein, dass niemand dem mörderischen Treiben etwas entgegensetzt?Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Selbstverteidigung

„Der Traum vom eigenen Staat“, taz vom 20. 3. 18

Das muss man sich erst einmal vorstellen: Da wird eine friedliche Region (Afrin) in einem anderen Staat (Syrien) mit haarsträubender Ansage (Türkeis Ministerpräsident Erdoğan mit seiner Anti-Kurden-Phobie) von diesem Nachbarstaat einfach so in eine Kampfzone verwandelt, was zur Flucht der dort lebenden Menschen führt, vor allem Kurden. Und was macht der Westen? Er schaut einfach nur zu, kommentiert mit lascher Kritik das Vorgehen der Türkei und lässt diese gewähren. Und schon ist das nächste Krisengebiet entstanden – ohne Not, geschweige denn Sinn und Verstand.

Gut, dass das nächste avisierte Ziel, Manbidsch, amerikanische Truppen beherbergt, denn diese müssten sich ja wenigstens selbst verteidigen, oder lassen sie da die Kurden auch einfach so fallen? Zudem sind da im Schlepptau der türkischen Truppen wohl auch religiöse Fanatiker eingedrungen, was zeigt, wie heuchlerisch und doppelzüngig ein Mann wie Erdoğan ist.

Ich wünschte, wir, der Westen, Europa und selbst die USA und die Nato würden hier klare Grenzen aufzeigen, die auch ein Machtmensch beziehungsweise Despot wie Erdoğan versteht. Leider mitnichten!

Klar weiß ich, dass Sanktionen nicht viel bringen, aber es muss doch möglich sein, Gelder der Türkei „einzufrieren“, mit dem Nato-Ausschluss wenigstens zu drohen, Kredite zu stoppen, keine Waffen und Ersatzteile mehr zu liefern und auch Reisewarnungen in die Türkei zu verstärken, damit der eine oder andere Tourist sich gut überlegt, ob er an den günstigen Aufenthaltskosten partizipieren will oder durch sein Fernbleiben auch Druck ausübt – durch den Entzug finanzieller ­Mittel.

Die Kurden in ihren vielen unterschiedlichen Gruppen kann ich nur zu gut verstehen, wenn da einige Rache schwören und es nicht dabei belassen wollen, dass ein Nachbarstaat einfach ihr Land besetzt und sie vertreibt. Das ist dann kein Terrorismus, wie es Erdoğan gerne als Totschlag-/Pauschalargument beschreibt, sondern pure Selbstverteidigung.

Und da sollten wir – auch wenn man da kritisch sein muss – auch die PKK nicht pauschal als Terrorgruppe, sondern auch als Freiheitskämpfer ansehen. Was ist denn das, was Erdoğan da in seinem eigenen Land und dem Nachbarstaat Syrien macht, anderes als Staatsterrorismus? Sven Jösting, Hamburg

Kann ein kurdischer Staat entstehen?

„Anerkennen statt ignorieren“, taz vom 21. 3. 18

Selbstverständlich sind die außenpolitischen Interessen entscheidend. Und nur wenn ein kurdischer Staat im Interesse mächtiger Staaten liegt, wird er entstehen können.

Ausgerechnet die Amerikaner haben schon länger die Idee eines solchen Staates als Stabilitätsfaktor, als Puffer und natürlich als eigenes Einflussgebiet wenigstens im Repertoire. Angesichts eines auseinanderdriftenden Iraks, eines völlig vernichteten Syriens und einer immer unzuverlässigeren Türkei ist das ja auch vernünftig. Auch deutsche Politiker sind durchaus zu solchen Gedanken in der Lage, nur ist man in vielerlei Hinsicht eben auch eigenen innenpolitischen Interessen und Notwendigkeiten verpflichtet. Man wartet hier schlichtweg auf die Zeit nach Erdoğan.

Eine „eigenständige“ Politik im Sinne einer deutschen Politik wird den Kurden aber ohnehin nicht helfen, eine Politik, die die Kurden als eigenständig versteht, wird nur in einer gemeinsamen Politik von EU- und Nato-Staaten Wirkung entfalten. Wenn man in Deutschland ein paar Sprachregelungen ändern und ein paar Symbole entkriminalisieren würde, was würde es nutzen? Man könnte und sollte natürlich sämtliche Waffenlieferungen an die Türkei einstellen, dies aber vor allem aus Gründen der eigenen Sauberkeit. Den Kurden hilft man damit nur sehr begrenzt. Haresu auf taz.de

Selbstbestimmung

„Der Traum vom eigenen Staat“, taz vom 20. 3. 18

Wer die Geschichte der Kurden kennt, muss anerkennen, dass sie ein Recht auf Selbstbestimmung verdienen. Es war der Westen, der den Kurden immer wieder die Selbstständigkeit versprochen hat und seine Versprechen gebrochen hat.

Dass jetzt, nachdem die Kurden den USA und dem Westen in Syrien halfen, den IS zu besiegen, Erdoğan völkerrechtswidrig in diese Region einmarschieren und bombardieren darf, ohne dass der UNO-Sicherheitsrat angerufen wird, ohne Sanktionen und Proteste vonseiten des Westens, entlarvt die Verlogenheit des Westens. Was Erdoğan gerade macht, ist mit dem Einmarsch Russlands auf der Krim vergleichbar. Erdoğan führt dort einen Krieg gegen sein eigenes Volk – wie Assad.

Mich hat schon lange nichts mehr so empört wie die Berichterstattung über diesen Krieg in den deutschen Medien und das Schweigen der deutschen Politik zu diesem unsäglichen Vorgang. Das ist verachtenswert und beschämend. Ich würde mich sehr gerne bei allen Kurden entschuldigen für das, was ihnen gerade angetan wird.Andreas Grzybowski, Friedrichstadt

Wer schweigt, stimmt zu

„Die kurdische Geschichte wiederholt sich“, taz vom 21. 3. 18

Der Traum von einem freien Kurdistan ist für die Kurden nach dem Einmarsch der türkischen Armee in Syrien in weite Ferne gerückt, auch der Wunsch, von der türkischen Regierung akzeptiert zu werden, ist fern jeder Realität.

Nein, die Entwicklung zwischen der türkischen Regierung und den Kurden ist eine sehr traurige Geschichte. Aber noch trauriger ist, dass die westliche Welt zu dem Angriffskrieg der türkischen Armee gegen die Kurden in Syrien schweigt, und wer schweigt, stimmt zu!

Da wird man das Gefühl nicht los, dass, wenn ein Nato-Partner in einen Krieg verwickelt ist, man dann einfach wegschaut oder auch noch Waffenexporte genehmigt wie zum Beispiel die Bundesregierung. René Osselmann, Magdeburg

Kanonenfutter

„Es gibt Angst vor einem Massaker“, taz vom 21. 3. 18

Der Satz: „Es ist nicht der Staat, der uns tötet, sondern unsere Staatenlosigkeit“, trifft den Nagel auf den Kopf.

Mit dem türkischen Staat kann man Geschäfte machen, einen Flüchtlingsdeal abschließen, ihm Panzer verkaufen und so weiter. Die Kurden haben keinen Staat. Und was soll die EU als Wirtschaftsgemeinschaft mit den Kurden anfangen? Handelsabkommen gehen nicht. Also keine Geschäfte möglich. Und geostrategisch spielen sie als quasi Staatenlose auch keine Rolle. Nur im Kampf gegen den IS waren sie dem Westen als Kanonenfutter nützlich.

Nirgends wird die ethisch-moralische Verwahrlosung des Westens so deutlich wie in der Haltung zur Türkei und den Kurden. Rolf B. auf taz.de