Ohne Struktur und Strategie

Nach dem bitteren 0:1 gegen den FC Schalke wird Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia klar, dass er sich einem Fußball-Bundesligisten mit einem zusammengewürfelten Kader angeschlossen hat

Am Boden: Eigentorschütze Knoche Foto: Peter Steffens/dpa

Von Christian Otto

Sein tieftrauriger Gesichtsausdruck sagte alles. Innenverteidiger Robin Knoche konnte nicht verbergen, wie mies es ihm geht und wie zerfahren die Gemengelage beim abstiegsgefährdeten VfL Wolfsburg ist. „Das Ergebnis passt zu unserer aktuellen Situation.“ „Und das Eigentor auch“, sagte der Hauptdarsteller eines tristen Spiels. Sein Eigentor in der 86. Minute hatte dem FC Schalke 04 einen glücklichen 1:0-Erfolg in Wolfsburg beschert. Der Sieger hatte eine mäßige Partie abgeliefert und am Ende doch lauthals jubeln dürfen. Knoche und Co. dagegen versuchen vergeblich, ihre Serie an Rückschlägen und die grundlegenden Probleme ihres Vereins abzuschütteln.

Natürlich war das schon besser als zuletzt. In der Partie gegen den Tabellenzweiten Schalke war in Ansätzen zu erkennen, dass mit Bruno Labbadia etwas in Wallung kommt. Er ist schon der dritte Wolfsburger Cheftrainer in dieser Saison. Nach vier Partien unter seiner Regie steht der VfL immer noch sieglos da.

Aber immerhin schafft es Labbadia, den Finger in Wunden zu legen und die gefährliche Lethargie seines Vereins zu thematisieren. „Offenbar hat man nicht erkannt, wo man ist“, lautet die Einschätzung des 52-Jährigen. Labbadia merkt, dass er sich einem Verein ohne sinnvolle Struktur und Strategie angeschlossen hat. Ein Jahr nach seinem Fast-Abstieg ist der VfL Wolfsburg keinen Schritt weiter. Es reift die Erkenntnis, dass wieder einmal etwas zusammengestellt worden ist, was nicht zusammenpasst.

Die väterliche Art, mit der Labbadia seine Arbeit in Wolfsburg aufgenommen hat, weicht Stück für Stück einer deutlicheren Ansprache. Dass der Trainer lauter und deutlicher wird, hängt auch mit den Machtverhältnissen hinter den Kulissen zusammen. Sportdirektor Olaf Rebbe, Ende 2016 für den entlassenen Klaus Allofs aufgerückt, hat mangels Erfolg einen schweren Stand.

Rund um das misslungene Heimspiel gegen Schalke, bei dem Kapitän Paul Verhaegh auch noch einen Foulelfmeter (76.) verschoss, wurde sein Verbleib in Wolfsburg erneut infrage gestellt. Rebbe musste wieder erklären, ob es stimmt, dass er seinen Rücktritt angeboten habe. „Das ist Gerüchte-Bingo. Und es zeigt, wie unruhig es rund um diesen Verein ist“, sagte der Chef der sportlichen Leitung, der mit Labbadia ein rettendes Duo bilden soll.

Die tiefe Verunsicherung, die die Spieler des VfL Wolfsburg plagt, wird durch die ungeklärten Fragen in der Führungsetage noch verstärkt. Rebbe gilt als angezählt. Der Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg Fußball GmbH hat gerade bekräftigt, dass er weiterhin damit beschäftigt ist, das durch das Scheitern von Allofs entstandene Vakuum endlich zu schließen. Der aktuellen Geschäftsführung fehlt es an der nötigen Fußball-Kompetenz. Dass Rebbe nicht für eine Beförderung in Betracht gezogen wird, ist die logische Konsequenz einer Fehlentwicklung.

Der Aufsichtsrat versucht seit anderthalb Jahren, das durch das Scheitern von Klaus Allofs entstandene Vakuum zu füllen

Der stark verjüngte Spielerkader leidet unter vielen Verletzungen, einem Mangel an spieltaktischer Harmonie und fatalen Fehleinschätzungen. Dass mit Mario Gómez etwa der Kopf des Teams während der Winterpause abgegeben wurde, ohne sinnvollen Ersatz zu haben, wirft Fragen auf. Der Nationalstürmer schießt derzeit den VfB Stuttgart zum Klassenerhalt – und darf sich aus sicherer Entfernung freuen, der äußerst merkwürdigen Konstellation beim VfL entronnen zu sein.

Als Labbadia in der Pressekonferenz nach dem Spiel erklären sollte, woraus er noch Hoffnung für den VfL Wolfsburg schöpft, saß direkt neben ihm ein dynamischer Trainer. „Es tut mir wirklich leid für den VfL.“ „Bruno, Kopf hoch und weitermachen“, sagte Domenico Tedesco. Der erst 32 Jahre alte Schalker Cheftrainer verblüfft mit seinen erfrischenden Art.

Als der VfL Wolfsburg vor der Saison einen weiteren Neuanfang einleiten wollte, war Tedesco verfügbar, genügte jedoch nicht den Ansprüchen der Niedersachsen. Sie wollten erst mit Andries Jonker, dann mit Martin Schmidt und mittlerweile mit Labbadia etwas Besseres aufbauen. Was genau das sein soll und welche Strategie verfolgt wird, bleibt seit anderthalb Jahren unklar.