: Gut in Deutsch
Die Bertelsmann-Tochter Inmediaone arbeitet mit dem selbstständigen Bildungsberater und rechtsintellektuellen Netzwerker Albrecht Jebens zusammen und schickt ihn als Vertreter in Freiburger Wohnzimmer, um Lernhilfen für Schulkinder zu verkaufen. So landete auch die Adresse eines achtjährigen Mädchens im Nirwana des deutschnationalen Sumpfs
von Anna Hunger
Die Frau, um die es hier geht, möchte lieber nicht mit richtigem Namen in einer Zeitung auftauchen, weil sie Angst hat, sich mit der deutschen Nazielite anzulegen. Sei's drum. Nennen wir sie Frau Huber.
Ihre Geschichte geht so: Frau Huber kommt irgendwo aus der Nähe von Freiburg. Sie hat zwei Töchter, eine davon ist acht Jahre alt. Das Mädchen hat eine Lieblingspuppe und ist in einem Alter, in dem Kinder Geheimsprachen erfinden, den Räuber Hotzenplotz lieben oder das kleine Gespenst und in der Schule lernen, was ein „ie“ ist.
Im vergangenen Jahr hat das Mädchen eine Karte aus der Schule mit nach Hause gebracht, mit der die Mutter einen Schülerduden bestellen konnte, umsonst, als Geschenk. Die meisten Karten kommen ausgefüllt zurück, sagt die Rektorin der Grundschule in Freiburg, in der Frau Hubers Tochter die zweite Klasse besucht. Die Aktion läuft bestens an Schulen in Deutschland und Österreich, warum auch nicht, Duden ist ein bekanntes Qualitätsprodukt.
Frau Huber hatte ihre Adresse auf die Karte geschrieben und ihre Unterschrift daruntergesetzt, genau über das Kleingedruckte, in dem stand, dass sie sich mit dieser Unterschrift einverstanden erklärt, der Firma ihre Daten über die Geschenkaktion hinaus zu Werbezwecken zur Verfügung zu stellen. Die Karte ging von der Schule aus per Post zurück.
Mit freundlichen Grüßen vom rechten Rand
Empfänger war die Inmediaone GmbH in Gütersloh, die die Geschenkaktion unter dem Mantel von Bertelsmann durchführte. Die gab die Adressen an die WKV Direktvertriebsservice GmbH weiter. Die WKV hat ein großes Warenlager und eine etablierte Vertriebsstruktur für Bücher und versendet die Geschenk-Duden an Kartenausfüller wie Frau Huber. Die Inmediaone selbst ist eine von Dutzenden Tochterfirmen des Bertelsmann-Konzerns, zuständig für den Direktvertrieb. Will heißen: Sie schickt Vertreter.
Sie vertreibt beispielsweise die beiden Brockhaus-Wissenscenter Prescolaris und Scolaris für Kinder – Lehrbücher, DVDs, ein Online-Angebot. Für drei Jahre ist das Angebot frei, danach kostet das Ganze um die 2.000 Euro. Mit diesen Produkten würden sowohl Kinder als auch Eltern „durch die prägende Kindheit und spannende Schulzeit begleitet“, wirbt die Inmediaone auf ihrer Homepage. Die Firma bietet diese Wissenscenter denjenigen Familien an, die per Geschenkkarte ihre Adressen an das Unternehmen übermittelt haben.
So kam also in diesen Sommerferien ein Herr an die Tür der Familie Huber und hinterließ eine Karte mit einem lachenden Smiley, zwei Telefonnummern und der bitte um Rückruf. „Mit Dank im voraus und freundlichen Grüßen von Albrecht Jebens.“ Albrecht Jebens, ein Vertriebler für die Inmediaone, ein freier Vertragspartner und Außendienstler.
Über die schreibt die Inmediaone auf ihrer Homepage: „Unsere Vertriebspartner verkörpern jeden Tag aufs Neue die Vorzüge der persönlichen Beratung bei unseren Kunden. Sie stehen für Werte wie Seriosität und Höflichkeit. Sie überzeugen durch ihr persönliches und fachliches Know-how.“
Bei Albrecht Jebens ist das zumindest ein Fragliches. In einem Interview mit der neurechten Zeitung Junge Freiheit antwortet er auf die Frage, welches denn das prägendste Ereignis der deutschen Geschichte gewesen sei: die „Zerstörung des Deutschen Reichs und des Deutschen Ostens 1945 und danach“. Und welche Werte sollen wir unseren Kindern weitergeben, Herr Jebens? „Liebe und Engagement für ihre Familien, für ihre Heimat und ihr Volk.“
Netzwerken unterm Brockhaus-Label
Albrecht Jebens ist nicht irgendein dahergelaufener Rechter. Albrecht Jebens ist ein Parade-Rechtsintellektueller, tief verwurzelt im rechtsextremen Netzwerk Deutschlands, das versucht, nationale Ansichten möglichst unverdächtig verpackt im öffentlichen Meinungsbild zu etablieren. Diesmal und im Falle von Frau Huber offenbar unter dem Brockhaus-Emblem in der oberen Ecke einer Duden-Geschenkkarte für Achtjährige.
Albrecht Jebens „gilt seit rund 20 Jahren als einer der führenden Köpfe in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservativismus“, schrieb Stefan Braun, Naziexperte und ehemaliger Landtagsabgeordneter der SPD, 2005 in der Gewerkschaftszeitung der Polizei. Mittlerweile sind es demnach fast 30 Jahre. Jebens war CDU-Mitglied, baute das von Hans Filbinger ins Leben gerufene Studienzentrum Weikersheim mit auf, die „christlich-konservative Denkfabrik“, Scharnier zwischen etablierter Politik und extrem rechtem Rand. Von 1982 bis 1997 war er Geschäftsführer, später Vizepräsident und wurde nach Filbingers Tod entlassen, weil er zu offensichtlich Rechtsextreme zu Vorträgen eingeladen haben soll.
Jebens publizierte gemeinsam mit NPD-Funktionären
Zu Filbingers Achtzigstem 1993 gründete Jebens mit dem Pressechef von Hitlers Außenministerium, Obersturmbannführer Paul Schmidt-Carrell, mit Gerhard Mayer-Vorfelder und noch ein paar anderen die Hans-Filbinger-Stiftung, die das Studienzentrum unterstützt. Von 2001 bis 2004 war er der Vorsitzende. In einem „Panorama“-Bericht mal befragt, ob CDU und Rechtsextremismus zusammengehen, sagte er: „Natürlich geht das zusammen.“
Gemeinsam mit dem ehemaligen stellvertretenden NPD-Parteivorsitzenden Felix Buck und deren Chefideologen Rolf Kosiek gehört er dem Führungskreis der im Jahr 2000 gegründeten Deutschen Studiengemeinschaft an und sitzt dort sogar im Vorstand. Im Jahr 2004 veröffentlichte selbige den Aufruf „Die Identität des Deutschen Volkes“, geschrieben unter anderem von Jebens, Kosiek und Buck: Das Deutsche Volk sei „in seinem biologisch-ethnischen Bestand und seiner kulturellen Identität auf das schwerste bedroht. Dieser Bedrohung entschieden entgegenzutreten, gehört zur Verantwortung jedes Deutschen.“ Und weiter: „Der Versuch, mit einer weiteren Einwanderung von Menschen aus völlig fremden Kulturkreisen die fehlenden Deutschen zu ersetzen, ist keine Lösung. Im Gegenteil: Eine solche Einwanderung beschleunigt die Auflösung des Deutschen Volkes und ist daher abzulehnen.“
Albrecht Jebens war Referent der Gesellschaft für Freie Publizistik, die 1960 von ehemaligen SS- und NSDAP-Angehörigen gegründet wurde. „Ihr gehören vor allem rechtsextremistische Verleger, Buchhändler, Redakteure und Schriftsteller an. Sie ist die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung in Deutschland“ mit enger Verbindung zur NPD, schreibt der Verfassungsschutz in seinem Bericht. Ihr Thema: die „Infragestellung der Vergasung von Millionen von Juden“.
Einige von Jebens' Texten findet man in Büchern des rechtsextremen Grabert-Verlags aus Tübingen. Anfang Oktober hat er einen Vortrag gehalten irgendwo in Thüringen, es ging um „Das Leben für die Freiheit – Die Epoche der Befreiungskriege“, seine Rede hatte den Titel „Die preußischen Reformer“, Veranstalter war der rechte Sudholt-Verlag aus München.
Alle sind entrüstet, aber keiner will's gewesen sein
Frau Huber war entsetzt, verständlicherweise, hätte Albrecht Jebens doch beinahe auf ihrem Sofa gesessen, um ihr ein Lehr-Programm für ihre Kinder aufzuschwätzen. Ein Nazi im Wohnzimmer. Auch noch ein hochrangiger. Die Zusammenarbeit eingefädelt von irgendwelchen Personalern der Inmediaone GmbH, bestenfalls ahnungslosen, bewilligt von Führungspersönlichkeiten, die sich laut dem Unternehmensprofil „ihrer besonderen Verantwortung nach innen und außen bewusst“ sind.
Jebens selbst sagt dazu auf Anfrage von Kontext nur wenig. Sein politischer Hintergrund und seine Tätigkeit als Bildungsberater seien seine Privatsache. Gleichfalls unterhalte er sich nicht mit taz-affinen Medien.
Die Rektorin der Schule ist entrüstet, als sie von dem Vorfall hört, und findet, dass man diese Duden-Aktion dringend beobachten müsse.
Bei der WKV Direktvertriebsservice sind sie ebenfalls entsetzt. Weniger über die Kooperation mit Albrecht Jebens am Rand der Schülerduden-Aktion als vielmehr über die Tatsache, das der eigene Firmenname durch periphere Naziinfiltration Schaden nehmen könnte.
Bei Inmediaone sind sie ein wenig hilflos. Ein Sprecher des Bertelsmann-Konzerns erklärt, der Zuständige sei grade im Vaterschaftsurlaub und nicht erreichbar, aber Bertelsmann könne da natürlich auch nichts dafür, wenn eine der zahlreichen Tochterfirmen mit einem Nazi als Vertriebler zusammenarbeite. Letztlich schreibt Herr Hakenkamp, der Leiter des Kundendienstcenters/Qualitätssicherung der Inmediaone.
Hat das Unternehmen Daten an Dritte weitergegeben?
„Herr Jebens ist einer von ca. 600 Verlagspartnern, die als freie Handelsvertreter für Inmediaone arbeiten“, schreibt er. Und: „Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist die Grundlage der Zusammenarbeit mit jedem unserer freien Verlagspartner. Auch Herr Jebens hat uns gegenüber stets betont, diese Grundordnung unseres Landes zu achten und zu respektieren – und wir hatten bisher keinerlei Anlass, dies in Zweifel zu ziehen. Selbstverständlich werden wir die Sachlage umgehend und mit aller Gründlichkeit prüfen. Sollte sich die Behauptung einer verfassungswidrigen Gesinnung als begründet herausstellen, werden wir die Zusammenarbeit mit Herrn Jebens beenden, da dies auch mit unseren Firmenwerten nicht vereinbar wäre.“ Und weiter: „Herr Jebens ist kein Arbeitnehmer des Unternehmens. Es besteht zu ihm ein Handelsvertreter-Vertragsverhältnis.“
Das ist das nächste Problem, immerhin hat Frau Huber unterschrieben, dass ihre Daten nicht an „Dritte“ weitergegeben werden. Aber inwieweit freie Handelsvertreter zu selbigen gehören, ist rechtlich schwer zu beantworten, sagen Datenschützer. Präzedenzfall ist die Affäre um die Deutsche Bank und die Postbank im Jahr 2009. Beide Banken sollen Bankdaten an ihre freien Handelsvertreter weitergegeben haben. Das sei verboten, sagen Datenschützer.
Sicher ist, dass Frau Huber kaum weiß, wer die „Dritten“ im Geschenkaktions-Chaos denn sind. Brockhaus gehört als Tochter zu Bertelsmann, Inmediaone ebenfalls, die WKV Direktvertriebsservice GmbH ist wiederum für Inmediaone tätig. Sie alle haben Zugriff auf die Adressen der Eltern, die die Geschenkkarte für einen Schülerduden ausfüllen. Und so landete die Adresse von Frau Huber und ihrer kleinen Tochter, der Zweitklässlerin, die eine Lieblingspuppe hat und gerade in der Schule lernt, was ein „ie“ ist, bei einem ausgewiesenen Rechtsradikalen und damit im Nirwana eines verfassungsfeindlichen Nazinetzwerks.
Aber nicht einmal das war es, was Frau Huber auf die Palme brachte. Als Frau Huber ahnungslos bei Herrn Jebens anrief, weil der ja um Rückruf gebeten hatte, war dessen Frau am Apparat, notierte Frau Hubers Nummer und versprach, ihr Gatte werde sich melden. Tatsächlich tat er es auch und erklärte Frau Huber, dass ihr Kind irgendwann mal Schulschwierigkeiten bekäme und es deshalb notwendig sei, das Scolaris-Wissenscenter von Brockhaus zu kaufen. Unverschämt, fand Frau Huber, das dieser Kerl ihrem Kind Schulschwierigkeiten und damit Blödheit unterstellte und ihr gleich mit dazu die Kompetenz absprach, bei potenziellen Schwierigkeiten helfend zur Seite zu stehen. „Das empfand ich als Frechheit“, sagt sie. Albrecht Jebens hat nun sogar ihre Telefonnummer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen