herr tietz macht einen weiten einwurf
: Potenziell tödlich

Fritz Tietz über das Wesen eines echten Duells – und warum manche in Wirklichkeit nurlahme Dülle sind

Fritz Tietz ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Seit Sonntag reden alle vom Duell bzw. vom Düll, wie meine Kleine, 8 und gerade erst in der Schule mit den Umlauten vertraut gemacht, nach den ihr geläufigen Leseregeln (ue = ü) den Titel jener gleichgeschalteten Fernsehsendung las: „Das Kanzler-Düll“. Genauso aber sollte man fortan alle Duelle nennen, die genau genommen gar keine sind: Dülle. Das scheint mir zur Unterscheidung von echten und falschen Duellen eine sinnvolle Sprachergänzung zu sein. Ein albernes Stehpultgeplänkel, wie das von Schröder und Merkel, gehört auf jeden Fall in die Kategorie Düll. Ein Duell, das diese Bezeichnung auch verdient, ist etwas gründlich anderes: ein freiwilliger Zweikampf nämlich, der mit potenziell tödlichen Waffen ausgetragen wird und folglich auch potenziell tödlich endet. So steht es im Lexikon. Von tödlicher Langeweile und Stehpulten steht da nichts. Wenn sich der Amtierende und die Kandidatin wenigstens mal geohrfeigt hätten; über die dazu einladenden Backpfeifengesichter verfügen schließlich beide.

Jener sportliche Zweikampf, der sich letzten Montag in Hamburg-Harburg zutrug, war mit Sicherheit kein Düll, denn er erfüllte akkurat alle duellsignifikanten Kriterien: er kam aus freien Stücken beider Beteiligten zustande, er wurde mit potenziell tödlichen Waffen geführt und hätte auch tödlich enden können. Dass er das nicht tat, kann man leicht daran ersehen, dass ich als einer der Duellanten hier über seinen Ausgang berichte. Auch mein Kontrahent hat den Zweikampf schadlos überstanden. Aber der Reihe nach:

Vor der roten Ampel der Kreuzung Hannoversche-/Winsenerstraße kam ich mit meinem Citroën neben einem aufgemotzten VW-Golf zu stehen, der hinten drauf in Fraktur „Waffenschmiede Wolfsburg“ kleben hatte. Der Fahrer, ein stiernackiger Halbstarker, Mitte 20, hatte seine Bordanlage voll aufgedreht. Ein brutaler Krach lärmte aus dem offenen Seitenfenster. Ich musterte den Burschen abschätzig. Nach einer Weile glotzte er doof zurück. Darauf ließ ich meinen Citroën kurz nach vorne springen, um so anzuzeigen: Dich verheize ich gleich, Nazi. Als Antwort ließ auch er seinen Golf nach vorne schnellen. Damit war das Duell vereinbart.

Kaum kam Gelb, gaben wir beide Gummi. Nebeneinander bogen wir mit Karacho nach links auf die zweispurige Winsener. Er erlangte schnell einen Vorsprung, zumal er die kurvenkürzere Innenbahn und wohl auch den stärkeren Motor hatte. Aber ich konnte mich im Windschatten des Golfs festsaugen. Unter konsequenter Missachtung der Straßenverkehrsordnung jagten wir hintereinander und wegen des dichten Verkehrs mehrmals die Spur wechselnd die Winsener hoch. Der Golfnazi vermochte mich aber nicht abzuhängen. An der entscheidenden Stelle, am Harburger Busdepot, da wo aus zwei Fahrbahnen eine wird, habe ich ihn dann verheizt. Der Feigling bremste viel zu früh, wohl aus Angst, sich nicht rechtzeitig in den nunmehr einspurig geführten Verkehr einfädeln zu können. Ich aber fuhr die linke Spur gnadenlos aus und über die durchgezogene Linie auf die Gegenfahrbahn, um mich erst dann in die Autoschlange zu mogeln. Jetzt lag ich unüberholbar drei Fahrzeuge vor ihm. Aber erst an der nächsten Kreuzung ward der Nazi endgültig besiegt. Ich schaffte deren Ampel gerade noch bei Orange, während er wegen Rot halten musste. So erlangte ich volle Satisfaktion.

So zweifellos dieser Wettkampf ein Duell war, so unsicher bin ich mir bei dem momentan tobenden Torwart-Zweikampf zwischen Kahn und Lehmann. Ist das wirklich ein spannendes Duell, wie allenthalben behauptet wird, oder bloß ein lahmes Düll? Ich tendiere zum Düll. Ein echtes Duell setzt voraus, dass die Kontrahenten direkt gegeneinander antreten, was aber naturgemäß – es kann ja immer nur ein Torwart spielen – nicht geht. Man sollte also die beiden ihren Zwist mit einer potenziell tödlichen Waffe regeln lassen. Deren Wahl bestimmt laut Lexikon traditionell der Beleidigte, also Kahn. Demnach kommen als Waffen nur Gebiss oder Golfschläger in Frage. Der Ort des Duells? Das ZDF-Sportstudio. Die Einschaltquote läge garantiert höher als die des Kanzler-Dülls.