Alles gegeben

Mit Robert Huth und Mike Hanke kommt die deutsche U 21-Nationalmannschaft in Mainz zu einem 1:1 über England. Ob das für eine Empfehlung für die Klinsmann-Elf ausreicht, bleibt derweil offen

AUS MAINZ TOBIAS SCHÄCHTER

Zu Beginn der 90er-Jahre hätte man gesagt, Dieter Eilts trage ein Grunge-Bärtchen. Korrekter wäre aber schon damals gewesen, den kultivierten Haarwuchs zwischen Nase und Kinn nicht nach den harten Musikern des Grunge zu bezeichnen. Diese waren nämlich keineswegs die Trendsetter, zumindest nicht in Deutschland. Dort trug damals mindestens jeder zweite Busfahrer solch einen Gesichtsschmuck. Dieter Eilts trägt derzeit also ein schickes Retro-Busfahrer-Bärtchen. Und der Trainer der deutschen U 21-Nationalmannschaft kam am Dienstagabend nach dem 1:1 zwischen Deutschland und England im Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2006 ziemlich schnell um die Ecke: „Das ist ein gerechtes Ergebnis“, bilanzierte der Mann aus dem ostfriesischen Upgant-Schott präzise.

Der Partie vor 7.000 Zuschauern in Mainz fehlte zwar die Brisanz eines echten Endspiels, waren doch beide Teams als punktgleiche Gruppenbeste schon für die im November stattfindenden Achtelfinals qualifiziert (deren Sieger eine Endrunde der besten acht an noch unbestimmtem Ort austragen), doch im Bemühen, den Gruppensieg zu erringen, lieferten sich die Rivalen ein rasantes Hin und Her auf technisch und taktisch beachtlichem Niveau. Bei noch zwei ausstehenden Spielen besitzt Tabellenführer Deutschland weiterhin beste Chancen auf den Gruppensieg.

„Das war ein klasse Spiel“, freute sich denn auch Eilts, der die wirklich brennenden Fragen des Abends aber lieber nicht kommentieren wollte. Zum Beispiel die, ob sich die bereits zu A-Nationalmannschafts-Einsätzen gekommenen Robert Huth und Mike Hanke mit ihrer Leistung erneut für Berufungen von Bundestrainer Klinsmann empfohlen hätten. „Das werde ich Jürgen Klinsmann in Ruhe mitteilen“, bremste Eilts mürrisch die Journalisten aus.

Wesentlich gesprächiger war Mike Hanke. Der Angreifer des VfL Wolfsburg zeigte sich ungespielt überzeugt davon, mit seiner Leistung für einen Platz im WM-Kader der Klinsmänner geworben zu haben: „Ich habe meine Chance genutzt“, glaubte der 21-Jährige nach einer allenfalls mittelmäßigen Leistung. Denn: „Natürlich ist die WM das große Ziel.“ Vor zwei Wochen nahm er freudig zur Kenntnis, dass Klinsmann ihn angerufen und ihm versichert habe, weiterhin Chancen zu besitzen, dabei zu sein – trotz zweier WM-Spiele-Sperren, die sich Hanke durch eine rote Karte im Konföderationen-Cup eingebrockt hatte. Nüchtern betrachtet kann diese schwerwiegende Hypothek aber auch eine überragende Bundesligasaison nicht wettmachen. Doch Hanke, ein junger Mann ohne gekünsteltes Selbstbewusstsein, glaubt: „Wenn ich nicht bei der WM dabei sein werde, dann habe ich nicht alles gegeben.“

Alles gegeben hat am Dienstag Robert Huth. Allerdings konnte dessen Leistung erneut nicht die Zweifel beseitigen, ob es sich bei dem Hünen aus Berlin-Marzahn nicht vielleicht doch um einen brillant hochstapelnden Felix Krull des Fußballs handelt. Beim Ausgleich durch Steven Taylor (42.) – der Nürnberger Stefan Kießling hatte in der 17. Minute die deutsche Führung erzielt – kam der 21-Jährige einen Schritt zu spät. Huths ansonsten solides Spiel hatte zudem in der zweiten Halbzeit mit einem im DFB-Trikot fast schon gewohnten slapstickartigen Ballverlust einen veritablen Tiefpunkt. Zu seinen Chancen, in den WM-Kader zu rutschen oder bei Chelsea nicht ewiger Ersatzbankhocker zu bleiben, wollte der wortkarge Huth nichts sagen. Das tun andere für ihn. Der englische U 21-Trainer Peter Taylor riet Huth ungefragt, „unbedingt so lange wie möglich bei einem Top-Klub wie Chelsea zu bleiben“. Klinsmanns gewichtiger Wink, der namhaften Konkurrenz bei Chelsea durch einen Wechsel aus dem Weg zu gehen, hat Huth bereits bockig ignoriert. „Viele geben mir Ratschläge, aber ich habe meinen eigenen Kopf“, sagt Huth.

Der Bundestrainer testete gestern Abend den beim 1. FC Köln regelmäßig eingesetzten Lukas Sinkiewicz auf Huths Position im Abwehrzentrum. Es ist nicht abwegig, dass am Dienstag in Mainz eher ein Sichtungsspiel für die EM 2008 stattgefunden hat als eines für die WM 2006.