Soll man sich gegen die neue GEZ-Gebühr wehren?
Ja

RUNDFUNK Ab Januar 2013 muss die GEZ nicht mehr hinter Haustüren schnüffeln. Dann müssen alle zahlen – auch wenn sie keinen Fernseher oder Radio haben

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Tabea Rößner, 45, ist medienpolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag

Der Wechsel von der Rundfunkgebühr zu einem Beitrag pro Haushalt ist richtig. Die jetzige Rundfunkgebühr ist veraltet, weil immer neue rundfunkfähige Geräte, wie Handys oder Tablets, auf den Markt kommen. Für diese muss gezahlt werden. Der Beitrag pro Haushalt beseitigt die Unsicherheit, ob und wann ein zweiter Fernseher, ein Autoradio, ein PC im Arbeitszimmer oder ein Smartphone angemeldet werden muss. Das bisherige Gebührenmodell wurde der Entwicklung nicht gerecht. Wir Grüne haben deshalb schon vor Jahren ein eigenes Modell einer Mediengebühr pro Haushalt entwickelt und gefordert. Allerdings liegt der Teufel bei der Umsetzung im Detail. Die vorgesehenen Änderungen sind in Bezug auf den Datenschutz nicht in Ordnung. Meiner Meinung nach dürfen auf keinen Fall mehr Daten als bislang erhoben werden. Denn die Datenkrake GEZ ist genau deshalb oft Grund für die Kritik an der Rundfunkabgabe. Datensparsamkeit muss bei dem neuen Rundfunkbeitrag oberstes Gebot sein.

Ermano Geuer, 28, ist Jurist und klagt vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof

Die Reform sollte alles besser, einfacher und fairer machen. Nichts davon wurde gehalten. Das Bürokratiemonster GEZ, das eigentlich abgeschafft werden sollte, spioniert munter weiter. Es muss nicht mehr an der Tür klingeln. Es verfügt schon über alle Meldedaten und hat beim Vermieter bereits Auskünfte eingeholt. Hostels, Filialbetriebe, Personen, die lediglich ein Radio oder einen internetfähigen PC besitzen – die Liste der Verlierer der Reform ist lang. Viel zu lang. Gewinner gibt es wenige. Am ehesten gewinnen die Öffentlich-Rechtlichen, wenn auch nur in finanzieller Hinsicht. Die neuen Beiträge dürften kaum die Akzeptanz in der Bevölkerung stärken. Neben der schon anhängigen Popularklage wird es ab Januar viele Klagen gegen die Neuregelung geben. Ich bin zuversichtlich, dass diese Erfolg haben werden.

Jürgen Doetz, 68, ist Präsident des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT)

Der VPRT hält die neue Abgabe grundsätzlich für richtig. Die bisherige Gebühr, die an das Vorhalten eines Rundfunkempfangsgeräts anknüpft, war nicht mehr zeitgemäß, da Rundfunk heute auf vielen Wegen – zum Beispiel über jedes Smartphone – empfangbar ist. Dennoch: Es ändert nichts daran, dass die gebührenfinanzierten Anstalten ein wachsendes Legitimationsproblem haben: Sie haben ihren Programmauftrag aus den Augen verloren. Immer mehr setzen sie auf Kopien erfolgreicher privater Programme, begeben sich in direkten Wettbewerb zu ihnen und bauen hierzu ihre Sparten- und Onlineangebote aus. Der VPRT fordert eine klare Definition des Programmauftrags für ARD und ZDF. Auf dieser Grundlage müsste die Abgabenhöhe neu festgelegt werden. Damit würde die Gebührenspirale unterbrochen und würden sich die Vollzugsaufgaben für die GEZ reduzieren. Der umgekehrte Weg – ein stetiger Programmausbau und eine weitere personelle Verstärkung der GEZ – führt zwangsläufig in die Legitimationssackgasse.

Monika Dietrich, 65, ist in Rente und hat die Frage per E-Mail kommentiert

Ich habe ein Radio angemeldet, besitze kein Fernsehgerät. Meine vierteljährliche GEZ-Gebühr beträgt rund 17 Euro. Nach der neuen Regelung hätte ich diesen Betrag monatlich zu entrichten. Ich habe eine kleine Rente, und für mich ist es ein großer Eingriff in mein Einkommen. Wenn davon gesprochen wird, dass es einen Sozialtarif gibt: Den gibt es nur, wenn ich Arbeitslosengeld II bekomme oder Sozialhilfe.

Nein

Kurt Beck, SPD, 63, ist seit 1994 Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder

Der neue Rundfunkbeitrag ist einfach und gerecht. Die Abkehr von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr sichert ein leistungsstarkes öffentlich-rechtliches Programmangebot für die Zukunft. Der Rundfunkbeitrag ist die Antwort auf die Konvergenz der Medien. Für jede Wohnung wird ein Beitrag fällig, egal wer in dieser Wohnung lebt, welche Geräte vorhanden sind und wem sie gehören. Nachfrage und Schnüffelei hinter der Wohnungstür entfallen. Begünstigt werden damit Familien mit Kindern, die kein eigenes Einkommen haben, oder nichteheliche Lebensgemeinschaften. In der Wirtschaft werden mit dem nach Mitarbeitern gestaffelten Betriebsstättenmodell gerade kleine Betriebe und Selbstständige entlastet. Die Höhe des Beitrags, der seit nunmehr sechs Jahren unverändert 17,98 Euro beträgt, bleibt stabil.

Astrid Göbel, 48, ist Verwaltungsdirektorin beim Mitteldeutschen Rundfunk

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Meinungsbildungsprozess in Deutschland. Er ist unabhängig von Politik und Wirtschaft, er informiert und unterhält täglich Millionen Menschen über Fernsehen, Radio oder Internet rund um die Uhr. Der neue Rundfunkbeitrag – nicht die „GEZ-Gebühr“ – stellt dazu die Finanzierung auf eine zeitgemäße Grundlage. Zukünftig interessiert es niemanden mehr, wie viele Empfangsgeräte in einer Wohnung sind und wer dort mit wem wie wohnt. Es gilt der Grundsatz: eine Wohnung, ein Beitrag. Dieser sichert eine solidarische Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Bürger und Unternehmen und bleibt bis mindestens Ende 2014 stabil bei 17,98 Euro.

Hermann Eicher, 57, ist Jurist und seit 1998 Justiziar des Südwestrundfunks

Regeln wie „eine Wohnung, ein Beitrag“ vermeiden künftig Nachfragen. Niemand kann und will mehr überprüfen, ob und welche Rundfunkgeräte jemand bereithält. Die Wohnung ist die Basis für den Rundfunkbeitrag. Wer zum Beispiel umzieht und sich ummeldet, muss dafür natürlich keine Gründe angeben. ARD und ZDF werden Vermieter nicht nach Mietern fragen, auch wenn es das Gesetz erlaubt. Fest steht: Für über 90 Prozent der Bürger ändert sich finanziell nichts. Für Wohngemeinschaften und junge Erwachsene, die bei den Eltern leben, wird es sogar günstiger. Richtig ist auch: Menschen mit Behinderungen oder diejenigen, die keine Rundfunkgeräte haben, beteiligen sich künftig an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das verärgert vielleicht im Einzelfall. In der Summe aber profitieren alle von einem unabhängigen, vielfältigen Programm.

Thomas Frickel, 58, ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm

Die „neue Rundfunkgebühr“ ist gar nicht neu – nur die Zahlungspflicht wird neu definiert. Der Verfassungsrechtler Prof. Kirchhof beschreibt ein öffentlich finanziertes, frei zugängliches Informationsangebot als Lebensnerv einer demokratischen Gesellschaft. Allerdings meint er ein Programm, das sich nicht dem Massengeschmack anbiedert. ARD und ZDF in ihrer heutigen Form leisten das nur bedingt. Die Einführung der Haushaltsabgabe bietet die Chance, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu zu erfinden: als ein System, das nicht behäbige Anstalten füttert, sondern auch außerhalb von ARD und ZDF frei produzierte hochwertige Angebote unterstützt: kostenlos abrufbare innovative Filme, Blogs und Podcasts, die auf dem freien Medienmarkt nie finanzierbar wären.