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Spanischer Handballtrainer erfolgreichDorfverein wird Eliteklub

Trainer Carlos Ortega hat den Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf aus dem Tabellenkeller geholt. Seither geht es für die Handballer bergauf.

Macht seiner Mannschaft klare Vorgaben: Carlos Ortega, Trainer des TSV Hannover-Burgdorf Foto: dpa

Hannover taz | Natürlich klingelt sein Handy immer häufiger. So manch ein Handball-Experte dürfte sich bei Carlos Ortega vergewissern wollen, ob es sich um einen Irrtum oder Druckfehler in der Tabelle handelt. Warum steht die TSV Hannover-Burgdorf heute viel besser da als der Seriensieger THW Kiel? Und vor allem: Wie konnte aus einem der schlechtesten Bundesligisten innerhalb eines Jahres ein regelrechter Senkrechtstarter werden?

Die Antworten auf solche Fragen sollte Ortega als Cheftrainer des Vereins zielsicher geben können. Doch der Spanier stapelt lieber tief und hält sich mit Lobeshymnen zurück. Was er nicht laut sagen will, ist jedoch offensichtlich. Seit seiner Verpflichtung im Sommer 2017 hat sich die TSV Hannover-Burgdorf zu einem Spitzenteam entwickelt.

Vom Dorfverein zum Eliteklub: Mit dieser Geschichte lässt sich in und um Hannover gut hausieren gehen. Ortega sorgt, anders als sein Vorgänger Jens Bürkle, für mehr Stabilität in der Abwehr und mehr Variabilität in der Offensive. Das von ihm angeordnete Spiel über den Kreis klappt. Der im internationalen Handball erfahrene Übungsleiter agiert wie ein Leuchtturm, an dem die anderen Halt finden. Seine Signale haben auch Wirkung auf die Konkurrenz.

„Wir bekommen klare Vorgaben, an die sich jeder hält“, sagt Rückraumspieler Kai Häfner. „Und alle glauben an das, was der Trainer sagt, weil es Hand und Fuß hat.“ Häfner gehört zu den Erfolgsgaranten des Vereins, der sich einst als TSV Burgdorf vor den Toren von Hannover bis in die Regionalliga gespielt hatte, um dann zum ganz großen Wurf auszuholen.

Heimspiel offenbart Qualität

Dann der Umzug in die Stadt, Auftritt wahlweise in einer kleinen Halle oder in der großen TUI-Arena: Die Strategie der „Recken“, so lautet ihr Vermarktungskosename, basiert auf kleinen Schritten und kalkulierbaren Risiken. Sie wollen Stück für Stück größer und besser werden, was ihnen bisher auch gelingt.

Das gestrige Heimspiel gegen den TuS N-Lübbecke war ein ideales Beispiel dafür, wie es gehen kann: Gute Stimmung in der Arena, enge Bindung ans Publikum und schwitzende Profis, die schon Sekunden nach dem Schlusspfiff Autogramme geben: Während sich der Profifußball von seiner Kundschaft immer weiter entfernt, suchen die Handballer ganz gezielt die Nähe zum Zuschauer.

„Die Menschen in der Region nehmen uns an“, sagt Geschäftsführer Benjamin Chatton. Er ist ein Mann mit dem Gespür für die richtigen Personalien, und er zieht hinter den Kulissen der TSV Hannover-Burgdorf die Fäden.

Chatton hatte Häfner nach Hannover geholt, ehe der zum etablierten Nationalspieler aufstieg. EAuch dass mit Ortega ein Meister seines Faches verpflichtet werden konnte, war seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken

Rückkehr zum internationalen Wettbewerb

Was sie gemeinsam auf die Beine stellen, kommt gut an – und es wirkt. 4.694 Zuschauer erlebten beim 28:26 (14:12)-Erfolg gegen Lübbecke schon den 17. Sieg in dieser Saison mit und feierten ihn ausgiebig. Wohin und wie weit die Reise der Erfolgsmannschaft noch gehen wird, interessiert auch deren Hauptdarsteller zunehmend. In der Saison 2013/14 hatte es die TSV Hannover-Burgdorf schon einmal bis in den EHF-Cup geschafft.

Die Rückkehr in einem internationalen Wettbewerb ist in diesen Tagen zum Greifen nahe. Der Däne Morten Olsen, Spielmacher und Torschütze in Personalunion, spricht von dem Gefühl, dass mittlerweile sogar ein Platz in der Champions League denkbar ist. Am 5. und 6. Mai steht die TSV Hannover-Burgdorf zudem im sogenannten Final Foul und könnte in Hamburg Pokalsieger werden.

Nach neun Jahren in der höchsten deutschen Spielklasse hat der Verein einen Reifungsprozess hinter sich. Inzwischen kann er sich im Duell mit den besten Teams auch nicht mehr als Außenseiter darstellen. Hannover-Burgdorf hat in dieser Saison selbst den THW Kiel in Pokal und Liga dreimal besiegt.

Wer das schafft, ist der Rolle des kleinen Provinzvereins entwachsen und endgültig im Konzert der Großen angekommen.

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