Türkin darf nicht wählen

Bundesverfassungsgericht lehnt Ausnahmeregelung für Deutschtürken ab, die wegen einer Gesetzesänderung vorübergehend ihren deutschen Pass verloren haben

FREIBURG taz ■ Deutschtürken, die die deutsche Staatsbürgerschaft verloren haben, dürfen nicht an der Bundestagswahl am 18. September teilnehmen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem Eilverfahren.

Geklagt hatte eine in Bayern lebende Architektin türkischer Herkunft. Sie war im Juni 1999 eingebürgert worden, hatte später aber zusätzlich wieder die türkische Staatsbürgerschaft angenommen. Dies war früher ein üblicher Trick, um eine doppelte Staatsbürgerschaft zu bekommen. Rot-Grün hat diesen Weg ab dem 1. Januar 2000 versperrt. Seitdem verliert jeder, der eine andere Staatsbürgerschaft annimmt, automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Das türkische Innenministerium schätzt, dass etwa 50.000 Personen auf diese Weise „ausgedeutscht“ wurden.

Betroffen ist auch die bayerisch-türkische Architektin. Sie fühlt sich allerdings ungerecht behandelt, da sie den Antrag auf die türkische Staatsbürgerschaft schon im Juli 1999 gestellt hatte, also vor dem Eintritt der neuen Rechtslage. Den türkischen Pass hat sie wegen der Überlastung türkischer Behörden freilich erst nach 2000 erhalten. Ihr Anwalt Cüneyt Gencer fordert von der deutschen Justiz deshalb eine Übergangsregelung für alle Eingebürgerten, die den Türkei-Antrag vor dem Jahreswechsel 2000 gestellt haben. Sie sollen Deutsche bleiben.

Bisher hatte die Architektin allerdings keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Bayreuth erklärte, die Frau hätte die Folgen ihres Antrags an die Türkei erkennen und ihn eben rechtzeitig vor dem 1. 1. 2000 zurücknehmen müssen. Auch das Bundesverfassungsgericht wollte ihr nun kein Wahlrecht einräumen. Sie müsse den Ausgang des Rechtsstreits abwarten. Da ihr Aufenthaltsrecht gesichert sei, drohten auch keine unzumutbaren Härten.

In Deutschland leben 2,6 Millionen Menschen türkischer Herkunft. 600.000 von ihnen sind eingebürgert. Nach einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung favorisieren 65 Prozent von ihnen die SPD, 17 Prozent die Grünen und nur 9 Prozent die CDU. CHRISTIAN RATH