Spucken mit Mundschutz

INNERES Innensenator Ulrich Mäurer will Hauben, um Polizisten vor Gefangenenspucke zu schützen. Gestritten wird nur noch über das Modell. Bremerhaven macht’s vor

Wenn man den Spuckschutz einführt, müsse man „die ganze Palette der Modelle kennen“

von Jean-Philipp Baeck

Gefangene mit einer Haube über dem Kopf – das ist kein schönes Bild. Muss aber sein, zumindest manchmal, heißt es von Seiten der Bremer Polizeigewerkschaft. Spuckattacken häuften sich, eine „Spuckschutzhaube“ für den Kopf des Delinquenten sei die Lösung. Eine Forderung, die bis vor ein paar Wochen bei Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) auf Ablehnung stieß, zu stark die Assoziationen mit Gefangenen etwa im Irak. Doch Anfang September hieß es dann, dass er deren Einführung vorbereite – probehalber, für ein Jahr. Vor ein paar Tagen nun erneuerte Mäurer die Ansage, über die Anschaffung sogenannter Spuckschutzhauben nachzudenken. Verschiedene Modelle sollen der nächsten Innendeputation im November vorgeführt werden.

Woher kommt der Elan? Liegen etwa neue empirische Erkenntnisse vor: über den Anstieg von Attacken, die ein rasches politisches Handeln gebieten? Wissenschaftler wie Arthur Hartmann, Leiter des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen, fordern deutlich, eine „sichere empirische Grundlage“ vor einer Einführung der Spuckschutzhauben zu schaffen. Wie steht es also mit den Zahlen? „Die Datenerfassung in den Polizeien lässt eine valide statistische Aussage nicht zu“, sagte Innensenator Mäurer am vergangenen Mittwoch in der Bürgerschaft. 50 Attacken aber seien im letzten Jahr registriert worden.

Björn Fecker, grüner Innenpolitiker, will die „Faktenlage kennen, bis man Entscheidungen trifft.“ Die kennt er nun seit Mäurers Aussage am Mittwoch, Fecker aber traut den Zahlen nicht, „weil es offensichtlich ist, dass nicht alle Spuckattacken zur Anzeige kommen.“ In der Diskussion, die von der Polizei angestoßen wurde, fordert er eine „Einschätzung der Polizei“, denn deren Sicht gehört eben „zu einer fairen Diskussion“ dazu. Einen Jutebeutel mit zwei Löchern für die Augen des Gefangenen, nein, das will er nicht. Die Frage sei, „ob wir ein anderes Modell als die Haube haben, etwa den OP-Mundschutz, bei dem man weiterhin gucken kann und den man etwas fester machen kann“. Detailfragen der verschiedenen Modelle eben, zu denen die Polizei in Bremen sich schon äußerte: Ein reiner Mundschutz bringe es nicht, zu geschickt seien die Gefangenen, sich diesen selbst mit Handschellen wieder abzuwischen. Trotzdem, sagt Fecker, wenn man schon den Spuckschutz einführt, dann muss man eben „die ganze Palette der Modelle kennen“ und „das Für und Wider“ abwägen.

Erfahrungen mit dem Schutz vor spuckenden Delinquenten hat die Polizei in Bremerhaven. Sie benutzen einen „medizinischen Mundschutz, der angewendet wird, wenn die Kollegen die Gefahr sehen, angespuckt zu werden“, so Uwe Mikloweit, Pressesprecher der Polizei Bremerhaven. Seit Jahren schon werde das gemacht, es komme „sehr selten“ vor.

Sükrü Senkal, Innenpolitiker der SPD, kann nicht verstehen, wieso das Mittel des Mundschutzes in Bremerhaven kein Problem ist, in Bremen aber nicht ausreichend sein soll. „Wenn es Schwierigkeiten in der Handhabung des Mundschutzes geben soll, dann macht es eher Sinn, sich Gedanken zu machen, wie wir den Mundschutz verbessern können, als Menschen Säcke über den Kopf zu ziehen.“ Er habe „mit Verwunderung“ aus der Presse entnommen, dass Bremen jetzt Spuckschutz-Hauben einführe. „Keine der Varianten, die uns der Senator gezeigt hat, ist für mich eine gangbare Lösung.“ Polizisten, die Menschen mit Säcken über dem Kopf abführen, dieses Bild „passt nicht zu einer bürgernahen Polizei“. Es müsse möglich sein, einen praktikablen Mundschutz zu finden, der die Polizei vor Spuckattacken schützt.