ROSSMANN AM KOTTI
: Du Biopflaume

Ich schlucke, lächle und hoffe

Im Weg stehen wir nicht, höchstens etwas ungünstig: der sperrige Einkaufswagen mit dem Kind darin, ich und neben uns ein hoher Turm aus leeren Kartonschachteln. Es ist ein später Dienstagnachmittag, in der Rossmann-Filiale am Kotti. Ungefähr dann, wenn die ersten Feierabend-Einkäufer in die Läden strömen. Wir sind nicht allein.

Da kommt ein Typ um die Ecke geschossen, mit kahl rasiertem Kopf, stierem Blick und Kopfhörern auf den Ohren. Nicht auf Anhieb sympathisch, aber auch nicht weiter auffällig. Bis er – Blick geradeaus an mir vorbei – unfreundlich zischt: „Ökobanane“.

Noch überlege ich mir naiv, seit wann Rossmann auch Gemüse und Obst im Sortiment führt. Da zischt es abermals, jetzt in Richtung Katzenstreu und in bösartiger Stimmlage: „Verdammte Biopflaume“. Ein unauffälliger Blick nach links und rechts den Gestellen entlang bestätigt: Er meint mich. Zweifellos. Mich und das Kind samt Neo-Bio-Hipster-Verdacht im Einkaufswagen.

Es bleibt einzig die Flucht, bevor der Typ seine Knarre auspacken und Amok laufen kann. Er sieht nicht so aus, als würde er regelmäßig meditieren. Und so greift auch mein Mechanismus, mit Vorurteilen nicht hinter dem Berg zu halten. Da zischt es nochmals, laut und deutlich: „Du verdammtes Bioarsch.“

Ich schlucke, lächle und hoffe, dass seine Anwürfe wenigstens von den anderen Kunden nicht mit mir assoziiert werden. Wobei: Unrecht hat er nicht. Man passt ins Klischee. Ebenso das Kind, natürlich mit Fahrradhelm, das in der einen Hand eine Reiswaffel, selbstverständlich Bio, und in der anderen Hand die teurere, dafür zahnärztlich empfohlene Elmex-Zahnbürste hält. Mit dieser Erkenntnis kommt der rettende Gedanke: Ich fliehe in die karge Bioecke des Markts, die der falsche Amokläufer verächtlich mit Missachtung straft.

GINA BUCHER