der zuckerberg teil 12
: Evabrowning

Illustration: Camelia Dobrin/getty

Facebook. Ein alter Hut mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Prachtvon Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen

„Komisch, dass keiner deinen Wichstext gelikt hat“, sagt meine Freundin. „Ich fand den gar nicht so schlecht.“

Richtig. Mein Wichstext über die Gefahren autoerotischer Handlungen. Religionshistorische, medizinische und sozial­pädagogische Perlen reihten sich zu einem journalistischen Schmuckstück aneinander. „Ich glaube, die Leute mögen es nicht, wenn ihnen der Spiegel vorgehalten wird“, sage ich. „Noch dazu von einem Klügeren. Die wollen einfach nur in Ruhe weiterwichsen.“

Sie hat ihn ja gelikt. Fast als Einzige. Doch leider sticht das Zuschustern von Likes innerhalb einer Beziehung der Crowd peinlich ins Auge. Sobald andere das machen, habe ich ebenfalls nur Hohn dafür übrig. Der Partner-Like ist der Inbegriff der bedingungslosen Loyalität. Man denkt zwangsläufig an Eva Braun. Entsprechend nennen wir das Phänomen auch „Evabrowning“.

Aber ab und zu geht das schon. Bloß nicht so oft. Früher unterhielten wir uns noch über Pläne, Wünsche und Träume. Doch mittlerweile sind unsere Themen: das Wetter, Orthopäden und vor allem Likes. Sie sitzt mit ihrem Laptop neben mir. Das Sofa ist das Motorrad des Alters. Auch ihr Facebook-Account ist geöffnet. Eigentlich könnte man auch mal wieder ein gutes Buch lesen. „Pling, pling, pling“ macht es im Sekundentakt. Sie wird gerade mit Likes nur so zugeschissen. Ich hau ihr bei der Gelegenheit auch gleich noch einen rüber – „pling“ macht es von links –, damit sind's dann hundertzwanzig

O Gott, ich bin so neidisch. Sie ist beliebt und hat Friends, mit denen sie sogar in echt befreundet ist. Ich überweise für jeden neuen Friend zwanzig Cent nach Menlo Park, CA. Sie ist nett zu ihren Leuten – ich werde ständig entfreundet, weil ich nie Emoticons verwende. Aber im persönlichen Gespräch sage ich doch auch nicht: „Das war jetzt ein Witz.“ Die Arschlöcher (Herzchen-Emoji), die schlicht zu dämlich (Kuss-Emoji) für meine superfeine Ironie (Zwinker-Emoji) sind, können mich kreuzweise. Bärchen-Hug.

„Ich kann das nicht schon wieder liken, solange das noch kein anderer gelikt hat“, sagt sie manchmal, „das fällt doch auf.“ Leider hat sie recht. Da bleibe ich lieber jungfräulich ungelikt. Das ist nicht ganz so erbärmlich wie ein Mitleids-Like, den jeder Idiot als Evabrowning identifiziert. Wer seine Likes zählt, googelt auch seinen Namen.

Na und? Ich öffne mein Profil, scrolle die alten Beiträge runter und betrachte die alten Likes wie im Familienalbum Verstorbene. Ach da, dieses Foto 2014: sieben fette Likes. Und das lustige Gedicht: sogar elf. Elf Likes – Hammer, oder? Once. Eleven. Und stets ein Like von ihr dabei. Eine Liebe vergeht, ein Like hält ein Leben lang. Uli Hannemann