EU-Staaten streiten über das Brüsseler Budget für die Zeit nach dem Brexit

Aus Brüssel Eric Bonse

Der Streit über die Flüchtlingspolitik überschattet nun auch die Verhandlungen über das künftige EU-Budget. Beim EU-Gipfel in Brüssel, bei dem am Freitag erstmals über die Finanzplanung ab 2020 diskutiert wurde, gab es Widerstand gegen Sanktionen für Staaten wie Polen oder Ungarn, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einer Regierungserklärung am Donnerstag in Berlin gefordert, bei der Vergabe von EU-Geldern „künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten“ zu berücksichtigen.

Polen und Litauen reagierten ablehnend. Die Strukturfonds seien für die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU bestimmt, sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, „und nicht für irgendetwas anderes“. Polens Europaminister Konrad Szymański warnte in der Welt vor einem „Fehler“, der „weitreichende Folgen“ haben könne.

Moderater äußerte sich Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Das künftige EU-Budget müsse auf einem „gesunden, guten Kompromiss“ basieren, sagte Morawiecki in Brüssel. Für einen Kompromiss sprach sich auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz aus, der mit der rechten FPÖ regiert. Er könne nachvollziehen, dass es „gewisse Konditionalitäten“ geben solle, sagte Kurz. „Ich würde nur bitten, nicht ständig auf Flüchtlinge zu fokussieren.“

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte vor einer neuen Spaltung in Europa. Er sei „sehr besorgt, dass es diesen Graben zwischen Ost und West gibt“. Juncker verwies gleichzeitig darauf, dass die EU-Kommission noch keine Entscheidung zu möglichen Konditionen oder Sanktionen getroffen habe. Ein Vorschlag der Brüsseler Behörde wird erst im Mai erwartet.

Demgegenüber hat sich Merkel offenbar schon festgelegt. Sie fordert nicht nur Solidarität in der Flüchtlingsfrage, sondern will die EU-Förderung auch an Grundwerte wie Rechtsstaat und Demokratie binden. Die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sei „eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes Investitionsumfeld“, heißt es laut Spiegel in einem Positionspapier der Bundesregierung zum künftigen EU-Budget.

Mit Entscheidungen wurde am Freitag noch nicht gerechnet. Sie dürften erst nach der Europawahl im Frühjahr 2019 fallen, womöglich aber noch später. Insgesamt geht es um mehr als eine Billion Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Das Europaparlament fordert eine deutliche Aufstockung um 30 Prozent, Österreich und andere Staaten sind strikt gegen eine Erhöhung. Durch den Brexit fehlen künftig jährlich bis zu 14 Milliarden Euro; allerdings leben dann auch weniger Bürger und Bürgerinnen in der EU.