meinungsstark
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Eklat auf der Berlinale

„Die Freiheit braucht ein Erdbeben“, taz vom 20. 2. 18

Die Veranstaltung im Tipi am Kanzleramt war eine Katastrophe. Ich bin offen hineingegangen. „Kultur will Wandel – eine Gesprächsrunde zu sexualisierter Belästigung und Gewalt in der Film- und Fernsehbranche“ klang interessant, relevant und wichtig. Veranstalter waren Pro Quote Film, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Bundesverband Schauspiel BFFS.

Die Moderatorin hat die Störaktion der Neonazis unkommentiert im Raum stehen lassen und nichts unternommen. Sie hat den SR-Intendanten nicht in die Schranken verwiesen, als er die Diskriminierungsdebatte als Sexdebatte diskreditierte, hat im offenen Teil nach der Diskussion Transmenschen und People of Color das Wort abgeschnitten.

Die Gäste mussten sich vorher zur Veranstaltung anmelden, was den Eindruck vermittelt, dass das Event in einem geschützten Raum stattfinden würde. Letztendlich war beim Einlass die Anmeldung egal, was die Diskussion zu einer öffentlichen und nicht nur für Betroffene spürbar ungeschützten Veranstaltung machte. Ein trauriges Armutszeugnis.Jens Steiner, Dresden

Der Ursprung des Trollens

„Alltäglicher Konzeptualismus“, taz vom 12. 2. 18

Puh, was will der Autor uns sagen? „Straßenaktivismus hat sich ins Netz verlagert“ ist eine starke These. Die jedoch mit Trollen zu begründen, ist gewagt. Richtigerweise zitiert Jage-Bowler die Studie „Kill all Normies“. Aber wenn er das tut, müsste er sich auch mit „This is why we can’t have nice things“ von Whitney Phillips beschäftigt haben, über den Ursprung und „die Kultur“ des Trollens.

Trolle sind nämlich nicht politisch in ihrem Ursprung und sie stören auch keine öffentlichen Räume. Sondern sie haben Spaß an Disruption und daran, andere Leute zu ärgern, egal mit welchen linguistischen Mitteln oder nonkonformen Verhaltensweisen; und das taten sie im Ursprung in ihren eigenen Kommunikationsräumen, Newsgroups. Trolling hat keinen Zweck, und deswegen ist es für uns so schwer zu verstehen. Aber Trolling hat immer eine Referenz im „realen Leben“ und vor allem zu Medien, sonst würde die Geschichte nicht funktionieren, die ein Meme oder Ähnliches transportiert.

Und zweitens gibt’s das nicht erst seit 2016, siehe Gamergate. Dazu ist auch die Opferrolle zu wenig bis gar nicht beleuchtet, am Ende wird noch #MeToo mit in die Debatte geworfen, aber die Mechanismen dort sind ganz andere und nicht mit irgendwelchen Memes vergleichbar. Das ist leider ziemlich bitter für die Opfer zu lesen.

Diese Mechanismen, die einst dem Trollen immanent waren, werden kopiert, zum Beispiel von der Alt-Right-Bewegung. Aber sie haben mit dem ursprünglichen Trollen um des Trollens wegen in eigenen Chatrooms nichts zu tun. Das eine ist pure Subkultur und das andere ist Internetkriminalität, die instrumentalisiert wurde.

Ich würde behaupten, beide Formen sollen nicht zum Denken animieren, wie der Autor am Ende schreibt, sondern stören. Und zwar um des Störens willen. Im Gegenteil würde man erstaunliche Erkenntnisse über Netzkultur heute erlangen, würde man sich noch mal mit der Digital Art der 90er beschäftigen. Alles, was gesellschaftlich möglich ist, ist auch mehr oder weniger eingetroffen. Das wäre ein interessanter Ansatz für einen Essay über neue Formen des Aktivismus geworden. Kerstin Fritzsche, Stuttgart