Verschämtes Grün in jeder neuen Runde

Offizielle und alternative Wahlomaten liefern nicht nur Entscheidungshilfen sondern auch überraschende Selbsterkenntnisse

In allen Medien bemühen sich die Parteien, ihre teils unterschiedlichen Positionen zu erläutern und ihre Stars und Sternchen in‘s rechte Licht zu setzen. Über die Köpfe auf den Plakaten draußen schreiben Andersmeinige häufig Gegenteiliges wie “stimmt gar nicht“ oder das, was der und die in Wahrheit denke und zu tun gedächte.

Wahlen also. Weil alles schon so ausgemacht scheint, schlug ein Bekannter vor, jeder solle jetzt einfach SPD wählen aus Protest gegen die Demoskopie. Zunächst schien das einleuchtend, dann aber doch wie der allzudurchsichtige Versuch eines verkappten Sozialdemokraten, die Dinge noch einmal zu wenden.

Viele benutzen den „Wahlomat“, diese Entscheidungshilfsmaschine der Bundeszentrale für politische Aufklärung, bei dem man 30 Fragen mit ja, nein oder keine Ahnung ankreuzt, zur Feinabstimmung noch einmal gewichtet und danach erfährt, welche Partei ähnliche Ansichten vertrete. Erster Nachteil des Wahlomats: er ist häufig überlastet. Zweitens wirken viele Fragen etwas langweilig und drittens sind die lustigen Kleinparteien nicht berücksichtigt.

Dies ist beim Wahlomaten der Berliner Surfpoeten anders. Auf ihrer website www.surfpoeten.de hat die bekannte Poetengruppe um Ahne, Tube, Spider, Stein, Robert Weber und DJ Lt. Surf, deren Veranstaltungen stets mit dem programmatischen Klassiker „Beatgeneration“ eingeleitet werden, einen „Wahlomaten“ installiert, in dem auch die Positionen der kleineren Parteien (NPD, bibeltreue Christen, die PARTEI, APPD etc.) berücksichtigt werden. Der Beatmusikklassiker „Beatgeneration“ beginnt bekanntlich mit den faulheitsaffinen Zeilen „Some people like to rock, some people like to roll, but me I like to sit around and satisfie my soul...“. Im Surfpoetenwahlomaten fehlt die Frage, ob man für ein verfassungsmäßig verankertes Recht auf Faulheit wäre, erwartungsgemäß nicht.

Andere Fragen berücksichtigen die anderen Herzpositionen der Splitterparteien: ob man dagegen sei, die Verfassung durch die Bibel zu ersetzen, ob man für bzw. gegen den Wiederaufbau der Mauer wäre, die Legalisierung von Hasch, den Austritt aus der Nato, die Todesstrafe, die Autobahnmaut für PKW‘s usw. Schwierig, schwierig. Bei vielem schwankt man ja wie im echten Leben. Man soll was sagen und gleich wird einem schummrig. Einerseits begrüßt man bierdeckelgroße Steuererklärungen wie sie Merz vorgeschlagen hat, schon allein, weil es ein wunderschöner Abend war, als wir Merz gegen Lafontaine ohne Ton geguckt hatten und Merz dabei besser war. Andererseits ist alles eine Frage der Schriftgröße. Einerseits ist Faulheit ganz wichtig und gegen den Produktionswahn, andererseits wird einem dabei oft so langweilig. Und so weiter.

Man machts einmal, zweimal, dreimal; mal superspontan und ohne Rücksicht auf die, äh, politische Vernunft, mal so wunschmaschinenmäßig und immer kommt das Gleiche raus. Oder fast. Jedenfalls nichts Witziges sondern, sowohl beim offiziellen, als auch beim Surfpoetenwahlomat, kaum mag man es zugeben: die Grünen.

DETLEF KUHLBRODT