die woche in berlin
: die woche in berlin

Nach den Rücktritten an der Spitze der Polizeiakademie soll nun ein Bayer die Lage retten. Die Berlinale wird – jedenfalls bei der Eröffnung – den Erwartungen an eine deutliche Positionierung in Sachen #MeToo nicht gerecht. Ein Sozialdemokrat will die Wähler durch Verjüngung vermehren und eine Stuttgarterin will nun doch nicht nach Berlin

Es bleibt ein Scherben-haufen

Die Leiter der Polizei-akademie geben auf

Nach monatelangen Diskussionen über Missstände bekommt die Polizeiakademie in Ruhleben eine neue Führungsspitze. Der bisherige Leiter Jochen Sindberg und sein Stellvertreter Boris Meckelburg haben um ihre Versetzung gebeten, wie Anfang dieser Woche bekannt wurde. Polizei und Politik signalisierten Erleichterung – nun bestehe die Chance auf einen Neuanfang, heißt es. Die Frage ist nur: Wer kehrt in der Akademie den Scherbenhaufen auf?

Der Kripomann Sindberg und der Schutzpolizist Meckelburg waren einst mit dem Auftrag der Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers angetreten, eine Strukturreform durchzuführen. Die war erforderlich geworden, um die gestiegenen Ausbildungszahlen bewältigen zu können. Eine Evaluation im Vorfeld hatte ergeben, dass die Polizeischule ein abgekapseltes Dasein ohne Austausch mit anderen Bildungseinrichtungen führe und viele Hierarchieebenen unnötig viel Personal verschlängen.

Ende 2016 trat die Reform in Kraft. Sie hätte radikaler kaum sein können: Ebenen wurden verschlankt, Unterrichtseinheiten pro Lehrkraft erhöht und Personal eingespart. Dazu wurden militärische Gepflogenheiten wie das Antreten zum Morgenappell abgeschafft. Mit „Unterwerfungspädagogik“ ließen sich keine verantwortungsbewussten Polizisten ausbilden, hatte Sindberg diese Schritte begründet.

Inhaltlich liegen Sindberg und Meckelburg mit ihrem Konzept voll auf Linie des rot-rot-grünen Senats. Die Gründe dafür, dass die beiden nicht als Sieger vom Platz gehen, liegen anderswo. Sie haben es offenbar nicht geschafft, die Belegschaft mitzunehmen – im Gegenteil. Bedenkenträgern sei mit intellektueller Überheblichkeit begegnet, Kritiker seien als verknöcherte Modernisierungsverweigerer abgekanzelt worden, heißt es aus der Akademie. Die Führungsriege habe ihr Ding knallhart durchgezogen, mit der Folge, dass Kritik nur noch anonym geäußert worden, der Krankenstand extrem gestiegen sei.

Nun werden die Chefstellen neu ausgeschrieben. Zudem soll ein Abteilungsleiter für polizeiliches Management aus Bayern die Lage an der Akademie unter die Lupe nehmen. Auch bei der Berliner Justiz ist das zurzeit ja groß in Mode: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis – oder hole einen unabhängigen Experten. Plutonia Plarre

Warten auf ein Signal

Die Berlinale beginnt im Zeichen von #MeToo

So ein bisschen Endzeitstimmung herrscht schon bei dieser Berlinale, die am Donnerstagabend eröffnet wurde. Zum einen wegen der #MeToo-Debatte: Schließlich ist das Filmfestival das erste große seiner Art, seit sich diese Emanzipationsbewegung artikuliert. Und gerade von der Berlinale, die gerne das Schild vom politischen Filmfest vor sich herträgt, werden Positionen und Diskussionen erwartet. Allerdings bleibt nach der Eröffnung das Gefühl zurück, dass bei der Berlinale die Debatte mindestens ebenso gefürchtet wie erhofft wird.

Zum anderen sind es die letzten richtigen Spiele mit Chef Dieter Kosslick. Zwar läuft dessen Vertrag noch bis Frühling kommenden Jahres. Aber es ist klar, dass lange vor 2019 sein Nachfolger feststehen wird.

So hat Kosslick, mit seinen Kalauern und seinem Pidgin-English das Markenzeichen des Filmfests, bei der Eröffnungsgala nur einen gerade mal fünfminütigen Auftritt, der auch noch mit einem echt schlechten Spruch endet. Und allen Danksagungen der anderen Redner – darunter Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU) – in Richtung Kosslick zum Trotz wirkt der Noch-Berlinale-Chef seltsam abwesend.

Ähnliches lässt sich über die #MeToo-Debatte sagen: Zwar trägt an diesem Donnerstagabend jede und jeder, der etwas auf sich hält, als Zeichen des Protests Schwarz. Aber es fehlt dann doch ein klares Signal. So erhält Grütters nur dezenten Applaus für ihre Ankündigung, die Gründung einer Beschwerdestelle gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe in der Filmbranche zu finanzieren.

Am Ende ist Moderatorin Anke Engelke sichtlich erleichtert, alles gut überstanden zu haben. „Wir hatten ein bisschen Bammel, weil so eine schwarze Wolke über dem Abend hing“, sagte sie mit Blick auf die #MeToo-Debatte.

Bert Schulz

Die Berlinale fürchtet die #MeToo-Debatte mindestens ebenso, wie sie sie erhofft

Bert Schulzüber die Stimmung bei der Berlinale-Eröffnungsfeier

Wider die Abnahme der Wahllust

Mit 16 Jahren zur Abgeordnetenhauswahl

Der Gedanke hat erst einmal etwas Befremdliches: 16-Jährige, die das Landesparlament wählen und damit zumindest indirekt über einen 28-Milliarden-Euro-Haushalt entscheiden können? Über Verschuldung, Innen- und Justizpolitik? Diese oft völlig politikfern wirkenden Jugendlichen?

Ralf Wieland (SPD), Präsident des Abgeordnetenhauses und lange selbst Gegner der Herabsetzung des Wahlalters, hat sich genau dafür am Mittwoch ausgesprochen. Zu Recht? Ja – denn wenn die 16- und 17-Jährigen tatsächlich so wenig Interesse und Ahnung von Politik haben, wird das mit 18 trotz Volljährigkeit nicht anders sein.

Wieland nennt als Grund für seinen Gesinnungswandel Ergebnisse einer Bertelsmann-Studie, laut der junge Menschen, die beim ersten Mal ihr Wahlrecht nicht nutzen, es auch bei den folgenden Wahlen nicht tun.

Wo und wann aber sind die Möglichkeiten größer, möglichst viele Jugendliche direkt zu erreichen und fürs Wählen zu begeistern, als in der Schule? Die Zeit dort endet für einen guten Teil der SchülerInnen, wenn sie 16 sind – in den folgenden Jahren bis zur ersten Wahlmöglichkeit mit 18 oder mehr Jahren gibt es nur noch über die Berufsschulen eingeschränkte Möglichkeiten, fürs Wählen zu begeistern. Bei Schülern dagegen hat man die Chance, durch entsprechende Werbung in den Schulen potenzielle Dauernichtwähler zu Wählern zu machen.

Die CDU weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass es bei einem niedrigeren Wahlalter zu einem Konflikt mit der Volljährigkeit ab 18 kommt. Der aber dürfte zu lösen sein – in anderen Ländern dürfen junge Menschen mit 16 Auto fahren, mit 18 wählen und erst mit 21 in Kneipen Alkohol trinken, ohne dass diese Differenzierung ins Chaos führt.

Es ist eine Sache der Güterabwägung: Dabei steht die Ernsthaftigkeit der Wahlentscheidung, die aus gutem Grund an eine gewisse Reife gebunden ist, die man bislang erst ab 18 vermutete, der Angst vor dem Abnehmen der Wahlbeteiligung gegenüber. Letztlich ist eine größere Beteiligung das höhere Gut – denn je mehr Wähler, desto geringer die Gefahr, dass einzelne Interessengruppen oder Splitterparteien mit hochmobilisierter Anhängerschaft eine Wahl dominieren.

Stefan Alberti

Wenig schmeichel-haft

Das Humboldt Forum bekommt einen Korb

Erst die peinliche Debatte über das Kreuz auf der Schlosskuppel, dann das Kompetenzgerangel inklusive beißender inhaltlicher Kritik von Exbeirätin Bénédicte Savoy und der scheidenden Direktorin des Ethnologischen Museums, Viola König. Und nun auch noch das: Das Humboldt Forum holt sich bei der Suche nach einer neuen Sammlungsleiterin einen Korb. In dieser Woche erklärte die Ethnologin Inês de Castro, sie wolle doch lieber bleiben, wo sie ist, nämlich im Linden-Museum in Stuttgart. Die baden-württembergische Landesregierung habe ihr einen Neubau im Stadtzentrum versprochen.

Ganz egal, ob de Castro mit ihrer Absage vier Wochen nach Bekanntgabe ihrer Berufung um den Stuttgarter Neubau gepokert hat oder nicht: Ihr Verhalten ist wenig schmeichelhaft für das vermeintlich größte Vorzeige­kulturanliegen der Bundesrepublik, Humboldt Forum im Berliner Schloss.

De Castro, 1968 in Argentinien geboren, wäre eine tolle Frau für diesen Job gewesen. Vielleicht hätte sie endlich jenen roten Faden ins Humboldt Forum gestrickt, der bislang so deutlich fehlt. Ihre Expertise in puncto Provenienzforschung und postkolonialer Debatte gilt als kaum zu toppen. 2013 organisierte sie in Stuttgart die erste Inka-Ausstellung Europas. Mit ihr machte sie sich auf ebenso mühsame wie publikumswirksame Suche nach dem wahren Kern eines sagenumwobenen und oft überhöhten Volkes. Die Inka besaßen, abgesehen von einem rätselhaften Buchhaltungssystem aus geknüpften Fäden, keine eigene Schrift. Daher wurden sie erstmals von spanischen Eroberern beschrieben. Und trotzdem waren sie nicht nur Opfer, die Spanier nicht nur Täter – das zeigte die Ausstellung Inês de Castros eindrücklich. Es sind differenzierte Annäherungen wie diese, die das Humboldt Forum braucht.

Und jetzt? Jetzt steht das Humboldt Forum wie ein begossener Pudel da. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung preußischer Kulturbesitz, verspricht, sehr bald eine andere „verlässliche, starke und stabile Führungspersönlichkeit“ auszubuddeln. Blöd nur, dass die erst einmal gut beschäftigt sein wird. Sie wird nämlich verkaufen müssen, wie unproblematisch es doch ist, nur zweite Wahl zu sein.

Susanne Messmer