Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten: darf man aus einem Text wie der wirren, rassistischen Suada von Anders Breivik einen Theaterabend machen, mit der der Mörder von 77 Menschen seine Tat politisch zu rechtfertigen versuchte? Biedert sich da die Kunst an den Sensationswert eines Verbrechens an? Wird hier auf Kosten der Opfer ein Theaterskandal produziert? Machen biedere Regisseure sich mit Monstern im Schlepptau auf Kosten anderer interessant? Erlaubt es der Respekt vor den Opfern grundsätzlich, den Täter zum Medienstar zu machen, während das Schicksal derer, denen er das Leben nahm, und das ihrer Angehörigen meist im Dunkeln bleibt? Oder scheut man die Auseinandersetzung mit dem Text, weil der Täter der Mitte der Gesellschaft entstammt, und ihr ähnlicher ist, als wir das wahrhaben wollen? Fragen wie diese treiben seit einigen Tagen die Debatte um Milo Raus Präsentation der Breivik-Erklärung in Weimar um. Das Deutsche Nationaltheater hatte sich in letzter Minute von der eigenen Produktion distanziert, die dann in Weimar an einem Ersatzspielort herauskam. Im Rahmen des Monologfestivals ist „Breiviks Erklärung“ nun am Samstag im Theaterdiscounter zu erleben. Doch Theater zeigt sich ja schon von jeher eher vom Monster fasziniert, statt vom freundlichen Normalo. Nichts offenbar öder für das Theater als ein glücklicher Mensch. Denn dort liebte man das Unglück schon immer mehr als das Glück. Das Unglück ist eben deutlich dramatischer. Das ist auch in den Stücken von Dea Loher so, deren neustes Werk schon einen düster dräuenden Titel hat: „Am Schwarzen See“. Dort treffen sich zwei Paare, die ein schreckliches Ereignis verbindet. Andreas Kriegenburg, Spezialist für Lohers finstere Panoramen, inzeniert die Uraufführung im Deutschen Theater, Premiere ist Freitag.

■ „Breiviks Erklärung“: Theaterdiscounter, Sa Sa

■ „Am Schwarzen See“, Deutsches Theater, ab Fr