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Markus Völker Gangneung StyleEssen und lesenin der recht geräumigen, trostlosen Tiefgarage

In der Tiefgarage gibt es Haferschleim. Oder Rührei. Die Journalisten frühstücken unter Tage. Hier werden einmal, wenn die Winterspiele vorbei und sehr viele Hochhaus-Apartments verkauft sind, Autos parken. Wir essen auf der orangefarbenen Ebene. Platz gibt es genug. Die Erbauer des Mediendorfes haben Fressplätze für 1.400 Schreiber geschaffen, aber das Garagenkulinarium ist so groß, da könnte bestimmt auch ganz Olympia verköstigt werden.

Hungrig und frierend hatten wir eine Helferin, es ging gegen zehn am Abend, nach einem Restaurant gefragt, und sie deutete sehr enthusiastisch auf eine Einfahrt. In dem langen Gang haben sie Kunst aufgehängt, um das Unwirtliche ein wenig zu ästhetisieren, Fotos des koreanischen Künstlers Kim Nyungman. Zu sehen ist beispielsweise ein Schnappschuss aus der entmilitarisierten Zone in Panmunjom. Ein nord- und ein südkoreanischer Soldat stehen sich gegenüber – und schauen doch aneinander vorbei. Sinnbildlich. Wir gehen weiter, lassen die Galerie hinter uns.

Rechts vom eingehegten riesigen Fressbereich haben sie eine kleine Bibliothek aufgebaut, in der Bücher von koreanischen Au­toren in mehreren Sprachen stehen, auch auf Deutsch: „Heimatlos“ von Lee Hochol oder „Vaseline-Buddha“ von Jung Young Moon. Man kann die Bücher kostenlos mitnehmen. Die Regale wirken unangetastet. Ob sie jeden Tag aufgefüllt werden oder die Olympiaschreiber zu sehr mit ihrer Gebrauchsprosa beschäftigt sind? Wir wissen es nicht. Aber eines haben die Veranstalter mit den Büchern geschafft: Man fühlt sich nicht mehr ganz so verloren. Und siehe da: Toni Innauer greift sich „Am Fluss“ von Pak Taewon.

Trotzdem verschwinden wir so schnell wie möglich aus dem Parkhaus, denn ohne die Betriebsamkeit des Morgens ist die „Main Dining Hall“ ein trostloser Ort. Wir tapsen orientierungslos durch die Nacht. Der Frost beißt. Da drüben, ja, das könnte ein Restaurant sein. Am Eingang ziehen wir die Schuhe aus. Schieben eine Tür beiseite und nehmen im Schneidersitz an einem kleinen Tisch Platz. Der Fußboden ist beheizt. Wir sitzen auf roten Kissen. Von der Decke hängen Grillrüssel. Man kann sie ein- und ausfahren. Zu grillen gibt es aber nichts mehr.

Wir handeln mit dem Chef via Übersetzungs-App das Menu aus. Viel bleibt nicht mehr, wenn man die scharfen Gerichte weglässt. Es wird dann eine Suppe mit „Beef Head Meat“. Sie schmeckt so lala. Nach zwanzig Minuten wird es unbequem am Boden. Der Reiswein hilft ein wenig gegen die Schmerzen.

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