Danke? (ja!, der säzzer)

Als alle nur ihre Namen in der Zeitung gedruckt sehen wollten, sorgte er dafür, dass es überhaupt eine Zeitung geben kann: Georg Schmitz. Der „Vater der Säzzer-Bemerkungen“ und ein tazzler der ersten Stunde geht in Rente. Freundschaftliche Worte zum Abschied

Stilecht mit Bart: Georg Schmitz 1989 an seinem Arbeitsplatz in der taz Foto: Sabine Sauer

Lieber Georg, weißt du noch, als wir uns das erste Mal gesehen haben? Es war in der Weddinger Wattstraße im Dezember 1978. Mit deinen feuerroten Schopf und einem ebensolchem ZZ-Top-Bart warst du nicht zu übersehen und mir sofort sympathisch, zumal du aus dem Rheinland kommst, genau wie ich. Das Erste, was du zu mir sagtest, war: „Die wollen alle in die Redaktion. Keiner will sich mit der technischen Herstellung einer Zeitung beschäftigen. Nur, ohne technisches Knowhow wird es keine Tageszeitung geben.“ Einleuchtend war das.

Und so beschloss ich – nach 17 Jahren theoretischem Lernen inklusive vier Jahren Studium – in der technischen Abteilung der taz, genannt der Sazz, einzusteigen. Wir hatten den Einheitslohn beschlossen, so gab es ja auch keinen finanziellen Anreiz, in die Redaktion einzusteigen. Das habe ich bis heute nicht bereut. Außerdem wollten wir die Trennung zwischen Kopf- und Handarbeitern aufheben. Das war anfangs leider nur ein vernünftig scheinender Anspruch. Vor allem, als ich merkte, wie viel Dünkel und Eitelkeit in der Redaktion grassierten.

Die erste Zeit der Produktion war ziemlich anstrengend. Bei den ersten Nullnummern habe ich des öfteren gezweifelt, ob wir es schaffen, jeden Tag pünktlich eine Zeitung zu produzieren. Heute würde ich es in unserem Alter nicht mehr schaffen, über Monate 60 Stunden die Woche zu arbeiten. Aber der Einsatz hat sich gelohnt. Immerhin haben wir es geschafft, eine zuverlässige Blattproduktion zu etablieren und freiere Arbeitsstrukturen als auf dem übrigen Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Die technischen Möglichkeiten, die wir vor 40 Jahren hatten, muten der heutigen jungen Generation als Dampfmaschinenzeitalter an. Die Jungen, die heute in der taz arbeiten, können sich gar nicht vorstellen, was für eine intensive Zeit wir hatten, und das gemeinsam.

Was ich nach wie vor – genau wie du – schade finde, ist, dass wir Abteilungsleiter und damit hierarchische Strukturen eingeführt haben – auch wenn ebendiese noch so „flach“ sind. Sich auf dem Arbeitsplatz auf einer Ebene ohne Vorgesetzte zu begegnen, das war schon ein Abenteuer.

Wir Säzzer hatten dieselbe Macht innerhalb unseres Projektes wie die Redakteure. Wenn uns ein Artikel überhaupt nicht gefiel, haben wir ihn im Blatt nicht erscheinen lassen. Wenn wir teilweise eine andere Meinung hatten als der Redakteur, haben wir die Artikel mit Säzzer-Bemerkungen verziert, die du damals als erster eingeführt hast. So wurdest du als „Vater der Säzzer-Bemerkungen“ bekannt. Die Säzzer haben sich als erste Leser der Zeitung verstanden und durch ihre Kommentare sofort einen kleinen Leserbrief platzieren können. Daraus resultierte manche Auseinandersetzung, denn mancher Redakteur und manche Redakteurin fühlte sich in seiner oder ihrer intellektuellen Eitelkeit verletzt.

Apropos intellektuelle Arroganz der Redakteure: Weißt du noch, als der Schönling unter den Redakteuren sich bei uns im Sazz wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt hat? Nach dreimaliger Bitte bzw. Warnung, sich doch leiser zu verhalten, sind mir die Nerven durchgegangen. Ich bin dann aufgesprungen und wollte ihm eine reinhauen. Du bist geistesgegenwärtig dazwischen gesprungen und meintest zu mir: „Es lohnt sich nicht bei dem, sich die Finger schmutzig zu machen. Lass das lieber.“

Ich habe dann dank deiner Intervention von meinem Vorhaben abgelassen. Dafür bin ich dir heute noch dankbar. Der Redakteur hat dann bis zu seinem Weggang einen großen Bogen um mich gemacht, aber laut und unverschämt war er ab da nicht mehr in unseren Räumen.

Die Frauen in der taz hatten es dir ja angetan. Du brauchtest ja eine ganze Menge weiblicher Bestätigung und hast ja vielen mit Erfolg den Hof gemacht – auch solchen, die schon anderweitig gebunden waren. Das hat zu einigem Eifersuchtsstress und Beleidigtkeiten – auch deinerseits – geführt. Die taz war eben damals ein echtes Selbsterfahrungsprojekt: Politik und Privates vermischten sich und waren nicht eindeutig zu trennen.

Als die Frauen sich über männliches, sexistisches Macho-Verhalten bei einem Plenum beklagten und plötzlich den Oberkörper entblößten, hast du ziemlich cool reagiert. Bei einer Werbeaktion der taz hast du dich als männlicher „Pin-up-boy“ nackt auf einem übergroßen Hotelbett geräkelt und fotografieren lassen.

Irgendwann war dann auch deine „Sturm- und Drangzeit“ vorbei, und du lerntest eine Frau kennen und lieben, die du dann auch geheiratet hast, was dir gut getan hat. Du bist ruhiger und gelassener geworden. So hat es dir dann auch nicht mehr soviel ausgemacht, als sich eine Mehrheit für hierarchische Arbeitsstrukturen ausgesprochen hat, der Sazz dank technischer Weiterentwicklung abgeschafft wurde und das Layout von der Hand- zur Computerarbeit mutierte. Ja, die Arbeit wurde sinn(en)-entleerter und nach Effektivität neu organisiert. Das hat dir überhaupt nicht gefallen, und so hast du der Technik den Rücken gekehrt und bist in die Aboabteilung gewechselt. Dass du diesen Sprung so gut verkraftet hast, hätte ich nicht gedacht.

Wir Säzzer hatten dieselbe Macht innerhalb unseres Projektes wie die Redakteure

Aber dein (Arbeits-)Leben war nie eintönig. Einen schweren Schicksalsschlag musstest du mit dem Tod deiner ersten Frau hinnehmen. Aber auch das hat dich menschlich nicht brechen können. Etwas später hast du deine jetzige Freundin lieben gelernt, die ihren Mann verloren hatte. Mit ihrer Unterstützung hast du deine alte Lebensfreude wiedergefunden.

So wünsche ich dir für das letzte Viertel deines Lebens, die Rentnerzeit, von Herzen eine gute und schöne Zeit – zusammen mit deiner jetzigen Lebensgefährtin. Habe erfüllte und erkenntnisreiche Tage, kurz: Lass es dir gut ergehen.

Herzlich, Uli

Uli Kuesters, 61, arbeitet schon immer in der taz und versteht es als Layouter nach wie vor, Redakteur*innen in ihre Schranken zu weisen.