russisch brot
: Suche nach dem Geist

Russlands in Misskredit geratener Sport möchte zurück in die olympische Familie. Mit dem richtigen Spirit soll das gelingen

Da war sie schon zu hören. Die russische Nationalhymne ist in Korea angestimmt worden. Ist das nicht verboten? Die Russen sind doch gar keine Russen mehr, sondern „Olympische Athleten aus Russland“. Die russische Flagge dürfen sie ebenso wenig zeigen wie das russische Wappen oder irgendwelche anderen Länderkennzeichen. Und die Hymne bekommen sie auch nicht zu hören, sollten sie gewinnen. Das Internationale Olympische Komitee hat das so festgelegt, als Strafe für systematisches Doping. Und jetzt das! Die Hymne im Olympialand!

„Toll“ fand das der russische Eishockeystar Ilja Kowaltschuk und „wichtig“. Russische Medien berichten von 200 Fans, die sich am Dienst zur Ankunft der olympischen Eishockeyathleten aus Russland am Flughafen von Seoul eingefunden hatten. Sie begrüßten ihre Helden mit der Nationalhymne. Alles gut also. Das ist ja erlaubt. Außerhalb der olympischen Anlagen darf Flagge gezeigt werden, und die Fans dürfen eh so russisch daherkommen, wie sie wollen. Und doch, so hat es das IOC am Dienstag angekündigt, wollen die Oberolympier schon darauf achten, wie sich die Russen und ihre Fans im Olympiaort Pyeongchang und Umgebung präsentieren.

Die olympischen Athleten aus Russland kämpfen nicht nur um Medaillen und Platzierungen, sie kämpfen auch um die Wiederaufnahme des Russischen Olympischen Komitees in die olympische Familie. Daraus sind sie derzeit verbannt. Zurückkehren dürfen sie nur, wenn, ja wenn sie sich in den nächsten zwei Wochen bewähren. Am Dienstag wollte das IOC die Kriterien bekannt geben, nach denen es über eine Wiederaufnahme der Russen in seine Kreise entscheidet. Doch da kam nicht viel. „Ein wenig offen und ein wenig flexibel“ seien die Kriterien, meinte Nicole Hoevertsz, das IOC-Mitglied aus Aruba, das über die russische Olympiatauglichkeit wachen soll.

So richtig genau möchte sie aber gar nicht hinschauen. Das lässt sich zumindest aus den Worten schließen, mit denen sie vom Branchenportal insidethegames.biz zitiert wird: „Es ist unmöglich, jedes einzelne Teammitglied oder jeden einzelnen Vorfall zu beobachten.“ Es gehe vielmehr um den „allgemeinen Spirit“. Meint sie gar den olympischen Geist, der so gerne beschworen wird?

Damit der nicht allzu gespenstisch daherkommt, versuchen die Russen, bei allem lautstarken Protest gegen die ach so ungerechten Sperren und Auflagen des IOC, ein gewisses Maß an Anpassung an den Tag zu legen. Als bekannt wurde, dass irgendein Freiwilliger, den das Organisationskomitee bestimmt, die olympische Flagge, hinter der die neutralisierten Russen einlaufen sollen, bei der Eröffnungsfeier durchs Stadion tragen wird, vermeldeten russische Medien umgehend, dass die Langläufer die Eröffnungsfeier boykottieren werden. Fake News seien das, stellte daraufhin Stanislaw Pozdnyakow klar. Der ist erster Vizepräsident des Russischen Olympischen Komitees und in Pyeongchang verantwortlich für das Auftreten der olympischen Athleten aus Russland. Die Langläufer seien nur deshalb nicht bei der Eröffnungsfeier dabei, weil sie schon zwei Tage später in die Loipe müssten. Außerdem bringe ein Boykott sowieso gar nichts. Pozdnyakow ist der Mann, der den rechten Geist im russischen Team etablieren soll, und schilt schon mal die Medien, wenn sie im patriotischen Eifer allzu weit nach vorne preschen.

Er wird gehört haben, was Nicole Hoevertsz, die Russenaufpasserin im IOC, am Dienstag gesagt hat. Auch das Auftreten der Medien werde in die Entscheidung des IOC über die Wiederaufnahme Russlands in die olympische Familie einfließen – genauso wie das Auftreten der russischen Fans in Korea. Man wolle das ein bisschen so handhaben wie im Fußball, so Hoevertsz, da seien die Klubs ja auch für das Verhalten ihrer Fans verantwortlich. Was genau das heißen könnte, das konnte sie nicht sagen.

Auch das Auftreten der Medien wird in die Entscheidung über die Wiederaufnahme Russlands in das IOC einfließen

Dass einst formulierte, wirklich harte Kriterium für die totale Rückkehr Russlands nach Olympia erwähnte sie nicht. Demnach müssen die Russen die Erkenntnisse des Wada-Berichts zum russischen Staatsdoping, der als McLaren-Report bekannt ist, als wahr anerkennen. Bis jetzt spricht wenig dafür, dass sie das tun. Sonst sind sie bis jetzt ganz brav.

Andreas Rüttenauer