„Stachel der Gewerkschaften“

Ex-IG Medien-Chef Detlef Hensche macht Wahlkampf für die Linkspartei. Sie sei die einzige Partei, die wieder Gewerkschaftspositionen in den Bundestag tragen könnte

Sieglinde „Siggi“ Friess hat wieder Mut. „Ich traue mich wieder offen zu sagen, dass ich eine Linke bin“, sagt die ver.di-Fachbereichsleiterin für kommunale Verwaltung und ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete. „Und es ist Schluss mit der Debatte um das kleinere Übel.“ Sie gehört zu den parteilosen Feministinnen, die, „wenn auch mit Bauchschmerzen“, den Aufruf „Gewerkschaftslinke für die Linkspartei“ unterzeichneten.

Unterzeichnet hat auch ihr Kollege Wolfgang Abel. Der ver.di-Sekretär hofft, dass die Linkspartei zum „Sprachrohr“ wird, um die durch die „medialen Lügen verkleisterten Köpfe“ der KollegInnen wieder freizumachen. Als sich der Saal des Curio-Hauses am Donnerstagabend füllt, hat es den Anschein, als würden sich wieder viele Funktionäre „aus ihren Löchern“ trauen, um dem Ex-Chef der IG Medien, Detlef Hensche, zu lauschen. 100 Gewerkschaftersind gekommen, und Hensche hält, was sie sich versprochen haben. „Die jetzige Koalition hat mehr an Sozialleistungen abgebaut, als sich die CDU je hätte erlauben können“, holt er gegen Rot-Grün aus.

In Wahrheit habe aber in den vergangenen Jahren „eine heimliche Allparteien-Koalition“ regiert, die in „galoppierender Brutalität“ den Sozialstaat durch „Deregulierung“ demontiert und nur „neoliberale Politik“ betrieben habe, sagt das Ex-SPD-Mitglied. Hensche kritisiert die Hilflosigkeit der Gewerkschaften, die den Verlust des einstigen „Bündnispartners SPD“ nicht verkraften und somit zur Desorientierung der Basis beitragen.

„Durchlöcherung der Tarifautonomie“, „Abbau des Kündigungsschutzes“, „Privatisierung privater Risiken“ und „Strangulierung der Binnennachfrage“ würden dem „Land schweren Schaden“ zufügen. Während die Zahl der Sozialhilfeempfänger „um das Vierfache“ gestiegen sei, habe sich die Zahl der Millionäre vervierfacht. „Der Überschuss wird aber nicht in Produktivität gesteckt, sondern in Spekulationen im internationalen Roulette“, beklagt Hensche.

Daher sei es ein Fehler, wenn sich die Gewerkschaften zur Linkspartei distanziert verhielten, obwohl sie die einzige sei, die als „Stachel von außen“ wieder Gewerkschaftspositionen in den Bundestag tragen könnte, mahnt Hensche: „Wer jetzt noch SPD wählt, ist Überzeugungstäter.“ KAI VON APPEN