Linke Sinnsprüche

Wahlkampf mit Linkspartei-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine ist ein rhetorisches Feuerwerk zwischen Reichensteuer und Frisurenwechsel

Von Sven-Michael Veit

Er zitiert Karl Marx, Victor Hugo und natürlich sich selbst. Beschwört das „Gespenst der Linkspartei“, das die politische Konkurrenz um den Schlaf bringe, die „mächtige Idee, deren Zeit gekommen“ sei, und wenn er seine eigenen Gedanken vorbringt, klingt das zum Beispiel so: „Die Geburtenrate ist das Urteil der Bevölkerung über die Arbeits- und Sozialpolitik ihrer Regierungen.“ Und auf dass sich das Gewicht dieser Worte auch nachhaltig absetze, empfiehlt er, „ruhig bis morgen nochmal über diesen Satz nachzudenken“.

Wahlkampf mit Oskar Lafontaine ist Wahlkampf der linken Sinnsprüche, gestern Nachmittag auf dem Gänsemarkt war das nicht anders. Ausführlichst bereitet der westdeutsche Spitzenkandidat der Linkspartei.PDS seine Schröder-Merkel-Pointe vor, mit der er das „Gerede von der Richtungswahl am 18. September“ zu entlarven gedenkt.

Bei den beiden, so der rhetorische Steigerungslauf des „überzeugten Linken“, gehe es nur um die Wahl, „sich von Schröder oder Merkel die Mehrwertsteuer erhöhen zu lassen“, sich von jenem oder jener „den Lohn und die Renten kürzen zu lassen“, sich von ihm oder ihr „den Sozialstaat abbauen zu lassen“. Folglich, verkündet Lafontaine, gehe es „nicht um einen Politikwechsel, sondern höchstens um einen Frisurenwechsel“.

Donnernder Applaus ist ihm sicher von den etwa 1.000 Menschen auf dem sonnigen Platz im Herzen der Hamburger City, zwei Minuten Beifall und reichlich Bravo-Rufe sind sein Lohn nach 35 Minuten Oskar im Pullunder und ohne Krawatte. Für seine beißende Kritik vor allem, die er an all den anderen „da im neoliberalen Irrenhaus“ übt, die sich ihre Programme schreiben ließen von „Handlangern der Wirtschaft“ wie dem VW-Manager Peter Hartz. „Zu feige“ seien die deshalb, um die Vermögenssteuer durchzusetzen, „zu unglaubwürdig“, als dass man sich von denen „eine Sozialneid-Debatte aufzwingen lassen“ sollte.

Und Zustimmung erntet Lafontaine auch, wenn er zwischendurch mal sagt, wofür er eigentlich ist. Für die Reichensteuer, na klar, und das betont er gleich viermal. Und für gebührenfreies Studium und Kita-Plätze, für den weltweiten Frieden selbstredend und Energie ohne Atom und Öl.

Und ganz besonders ist er für eine deutlich höhere Steuerquote und reale Steigerungen von Löhnen und Renten im zweistelligen Prozentbereich. Denn das, verkündet Schröders ehemaliger Bundesfinanzminister, „schafft Kaufkraft und Nachfrage und Konsum“. Und deshalb müssten, befindet Lafontaine mit einem Rundblick von der Bühne, „die Inhaber all dieser kleinen Geschäfte hier am Platz eigentlich Linkspartei wählen“.

Auch so ein Satz, über den bis morgen nachzugrübeln sich vielleicht lohnte.