Professionell statt selbstverwaltet

Das Kulturzentrum Lagerhaus im Viertel wird heute 25 Jahre alt und feiert einen „Geburtstag der Visionen“. Geschäftsführer Bernd Scheda war von Anfang an dabei. Ein Gespräch über die Selbstverwaltung, Ein-Euro-Jobber und die Projekte der Zukunft

Vor 25 Jahren war das Lagerhaus ein besetztes Areal mit Selbstverwaltung. Was ist davon heute übrig geblieben?

Die Selbstverwaltung ist zu einer Zeit entstanden, in der es gar keine fest Beschäftigten gab. Wir haben alles ehrenamtlich gemacht, die Entscheidungen fielen sehr gleichberechtigt. Das haben wir fast 20 Jahre durchgehalten.

Welche Ideale aus der Anfangszeit haben Sie heute aufgegeben?

Wenige. Wir haben immer noch das Prinzip, dass wir unsere Entscheidungen im Konsens fällen. Von daher hat sich soviel gar nicht geändert. Viele MitarbeiterInnen haben heute aber nicht mehr die Zeit, alle Entscheidungen nachzuvollziehen. Es gibt nicht mehr wie früher langjährige ABM-Stellen. Wie mussten viele Arbeitsverhältnisse auf Ein-Euro-Jobs umstellen.

Verträgt sich das mit dem alternativen Anspruch des Lagerhauses?

Das haben wir sehr lange diskutiert. Wir halten das für eine sehr wenig ausgefeilte Form der Beschäftigung. Bei 4.000 Veranstaltungen im Jahr sind wir aber darauf angewiesen. Da brauchen wir hoch motivierte Leute. Und die gibt es zuhauf unter den Ein-Euro-Jobbern.

Was bedeutet die geänderte Finanzierung für die Identität des Lagerhauses?

Die Identität hat dadurch nicht gelitten. Eine Einrichtung wie diese mit so einem hohen Professionalisierungsgrad ist nicht mehr mit Ehrenamt zu betreiben.

Versteht sich das Lagerhaus noch als politischer Akteur? Im Geburtstagsprogramm taucht die Politik zumindest nicht auf.

Man kann nicht sagen, dass hier eine politische Identität verloren gegangen ist. Wir möchten nur nicht, dass die Parteien mit unserem Haus Werbung machen. Nur Neonazis bringen wir hier nicht unter, das ist klar.

Wäre nicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, sich auch politisch zu positionieren?

Das ist nicht unser Kerngeschäft, wir arbeiten im Bereich Kultur, Migration und Ökologie.

Wie haben sich die Ansprüche über die Jahre verändert?

Die Arbeit hat sich wesentlich professionalisiert. Und aus der politischen Diskussion haben wir uns nicht verabschiedet, aber wir wollen nicht alle politischen Aktivitäten aufgreifen.

Wie sieht es mit dem Verhältnis zur Nachbarschaft aus?

Am Anfang gab es viele Ressentiments, aus den Behörden und aus der Nachbarschaft. Mittlerweile haben wir die meisten Nachbarn auf unserer Seite.

Was war denn das größte Highlight der letzten 25 Jahre?

Auf unsere Ausgründungen sind wie sehr stolz. An Anfang haben uns die Leute belächelt, als wir mit zwei Autos eine Stadtauto-Initiative gründen wollten. Heute hat Cambio 100 Neufahrzeuge.

Und das größte Fiasko?

Wir haben eigentlich wenig Rückschläge erlebt. Immer, wenn es uns an den Kragen gehen sollte, konnten wir uns ganz gut wehren. Nur die Grundfinanzierung ist sehr schlecht.

Welche Projekte stehen an?

Wir wollen ein Jugendhotel gründen, Programme für das Licht-Luft-Bad machen und ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt aufbauen. Initiativen, denen Kultursenator Jörg Kastendiek bei seinem Besuch sehr positiv gegenüberstand. Interview: Jan Zier