Streit um Wahlen in Ägypten

Regierung spricht von einer guten demokratischen Erfahrung, während Opposition und unabhängige Wahlbeobachter mannigfaltigen Wahlbetrug auflisten

KAIRO taz ■ Die Stimmen der Präsidentschaftswahlen vom Mittwoch waren noch nicht endgültig ausgezählt, da brach in Ägypten bereits ein Streit über Wahlbetrug und die wirkliche Wahlbeteiligung aus. Bis Freitagnachmittag soll der seit 24 Jahren amtierende ägyptische Präsident Hosni Mubarak, der erstmals in der Geschichte des Landes gegen neun andere Kandidaten angetreten war, nach der Auszählung von 60 Prozent der abgegebenen Wahlzettel mindestens 75 Prozent der Stimmen erhalten haben. Die Wahlbeteiligung, heißt es aus Kreisen der staatlichen Wahlkommission, soll bei 30 Prozent gelegen haben.

Doch Aiman Nour, einer der prominentesten Gegenkandidaten, hatte bereits am Donnerstag bei der Wahlkommission eine Beschwerde aufgrund vielfachen Wahlbetruges eingelegt und gefordert, den Wahlgang erneut durchzuführen. Nour sprach von weiteren zahlreichen Unregelmäßigkeiten. Seine Beschwerde ist von der Wahlkommission bereits abgelehnt worden. Die Vorwürfe seien untersucht und für falsch erachtet worden, verkündete der Chef der Wahlkommission, Osama Attawiya. Nour hat inzwischen eine zweite Beschwerde eingelegt und droht vor Gericht zu ziehen.

Unabhängige ägyptische Wahlbeobachter sprachen in ersten Berichten ebenfalls von zahlreichen Unregelmäßigkeiten wie Stimmenkauf, direkter Beeinflussung durch Mitarbeiter der Wahllokale und Mehrfachstimmabgabe. Laut der unabhängigen Organisation „Independent Commitee for Election Monitoring“ sollen Polizisten beispielsweise im südägyptischen Beni Suef Wahlzettel, die gegen Mubarak stimmten, zerstört und anschließend neue für Mubarak ausgefüllt haben

Auch die „Egyptian Organisation for Human Rights“ (EOHR) berichtet von zahlreichen Verletzungen des Wahlrechtes. Das Problem sei, die Verquickung zwischen Staat und Regierungspartei, meint deren Chef Hafez Abu Saada. Die meisten Beschwerden, über die die EOHR-Beobachter berichteten, hatten mit den Wählerlisten zu tun, auf denen viele Menschen ihre Namen nicht fanden, dafür aber die von Verstorbenen oder Kindern.

Trotz allem zieht der Menschenrechtler keine ausschließlich negative Bilanz. „Es gab keinen systematischen Wahlbetrug, und die Polizei hat sich, anders als bei früheren Wahlen und Referenden, weitgehend herausgehalten.“ Abu Saada glaubt, dass die Unregelmäßigkeiten das Ergebnis nicht maßgeblich beeinflussen, warnt die Behörden aber davor, die Wahlbeteiligung zu hoch anzugeben, die laut den Informationen seiner Beobachter bei ungefähr 25 Prozent gelegen haben soll. Eine Zahl, die, falls sie stimmt, zeigt, wie wenige der 32 Millionen ägyptischen Wahlberechtigten an einen echten demokratischen Aufbruch im Land glauben.

Regierungsvertreter und die Wahlkommission verteidigten sich unterdessen gegen die Vorwürfe des Wahlbetruges. „Der Wahlgang war so gut, wie wir ihn uns vorgestellt hatten“, meinte der Chef der Wahlkommission, Osama Attawiya, zweideutig.

KARIM EL-GAWHARY