LESERINNENBRIEFE
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Pflegeberufe attraktiver machen

■ betr.: „Aktenzeichen Keim-Krimi ungelöst“, taz vom 23. 10. 12

Der Feind ist klar (und wird auch in dem dazugehörigen Interview mehr als deutlich): Es muss am Personal liegen! Wenn Infektionsraten steigen, dann sind ärztliches sowie pflegerisches Personal „schuld“. So tragisch die Todesfälle in der Charité sind: So einfach ist es nicht! Schon längst gibt es genug Studien, die einen signifikanten Nachweis zwischen Personalabbau bzw. -struktur und Infektionsraten belegen (http://www.infekt.ch/kategorien/lehreforschung/literaturscreen/spitalhygiene/1607-nosokomiale-infekte-desinfizierte-haende-schuetzen-genuegend-haende-auch.html). Kurz: zu wenig Personal/schlecht ausgebildetes Personal/schlecht eingearbeitetes Personal (Stichwort: Personal-Leasing) = Stress, Hektik, Überforderung = erhöhte Infektionsraten.

Nun könnte man daraus schließen, die Krankenhausbetreiber sind dann also „schuld“. Aber auch hier: So einfach ist es nicht. Denn, wie allseits bekannt haben wir gar nicht genug Pflegekräfte, die sich auf vakante Stellen bewerben würden. Also selbst wenn die Krankenhäuser gerne mehr Pflegekräfte einstellen würden: sie könnten es gar nicht. Das bedeutet, es muss dafür gesorgt werden, dass wir den Pflegeberuf wieder attraktiver gestalten. Stichwörter sind hier: Akademisierung, familienfreundliche Arbeitszeiten und nicht zuletzt auch Geld. Stattdessen führen wir eine Diskussion darüber, ob wir Menschen für die Pflegeberufe „umschulen“ (Pflegen kann ja schließlich jede/r) und ob wir durch die Erhöhung der Anforderungen, um den Zugang zu diesem Berufsfeld zu erlangen, nicht den Pflegemangel noch verschärfen. Anstatt langfristige Lösungen zu gestalten, werden Schnellschüsse produziert. Und in diesen sogenannten „Hygieneskandalen“ zeigen sich bittere Ergebnisse. Die Öffentlichkeit sollte sich über diese Zusammenhänge im Klaren sein und sich gut überlegen, wohin in Zukunft das vorhandene Geld im Gesundheitssystem fließen soll. Dazu benötigen wir aber auch eine ehrliche Debatte, sowohl in den Medien als auch in der Politik, in der diese und andere Fakten klar benannt werden. PHILIPP TESSIN, Iserlohn

Individualität fördern

■ betr.: „Schule braucht mehr Einheit“, taz vom 20. 10. 12

Zwar kann man wirklich nicht behaupten, dass die deutschen Schulen absolut vergleichbar wären, liegen sie doch in ganz unterschiedlichen Regionen und Gebieten mit vielfältigster Bevölkerung. Das wäre aber auch kaum wünschenswert. Vergleichbare Noten werden nicht durch äußere Standards hergestellt, sondern vielleicht durch normierte Inhalte, Lehrer und Unterrichte. Einfältig, dann von Chancengleichheit zu sprechen, denn gemeint sein kann doch nur eine Chancengleichheit auf Entwicklung im Bildungssystem. Die muss auf die Förderung der Individualität ausgerichtet werden durch Lehrerpersönlichkeiten, die sich von den unbewussten Entwicklungszielen junger Menschen herausgefordert fühlen und selber bereit sind, sich täglich weiter zu entwickeln. Warum wohl suchen Eltern vermehrt nach der Schule für ihre Kinder – besonders in den freien Schulen –, wo das Kind und der Jugendliche im Vordergrund steht, nicht die Norm. Das Geniale kann im Normbereich nicht entstehen, nur der geistige Sklave. Hört also auf, über die Vielfalt im föderativen Bildungswesen zu jammern, der PISA-Anspruch der OECD auf wirtschaftlich vielleicht nützliche Vergleichbarkeit von Schulleistungen taugt nicht unbedingt für eine freiheitsorientierte Entwicklung des Kindes oder der Jugendlichen. ERNST-BRIEDRICH HARMSEN, Berlin

Solange Männer Frauen kaufen …

■ betr.: „Angstlust und Ekellust“, taz vom 22. 10. 12

Neu zugewanderte Osteuropäerinnen ist ein ungeheuerlicher Euphemismus für Frauenhandel. Deutschland alleine hat noch nicht kapiert, dass dort, wo Prostitution legalisiert ist, der Menschenhandel explodiert. Die einzige Weg ist, Prostitution zu verbieten und damit die Freier, nicht die Prostituierten zu kriminalisieren. Das funktioniert in Schweden auch.

Frauen gehen nicht freiwillig in die Prostitution, viele Frauen wurden als Kinder oder Jugendliche missbraucht, über 60 Prozent der Frauen, ertragen die Prostitution überhaupt nur mit Alkohol und 95 Prozent aller Straßenprostituierten sind drogenabhängig.

Solange Männer Frauen kaufen können, sind wir noch sehr weit von jeglicher Gleichberechtigung von Mann und Frau entfernt. Prostitution ist frauenverachtend, und die Einzigen, die profitieren, sind die Bordellbesitzer. Dass Frauen im Deutschland des 21. Jahrhunderts immer noch als Ware behandelt werden, ist wirklich ein Skandal. Besonders schockiert war ich über die Tatsache, dass eine Frau diesen Artikel geschrieben hat. TATJANA LISSON, München

CDU an den Rand gedrängt

■ betr.: „Das grüne Supermodel?“ u. a., taz vom 23. 10. 12

Ausgerechnet Herr Turner lag richtig mit dem Hinweis, dass er in den Randgebieten von Stuttgart ausnahmslos vorne lag. Dort enthält nämlich die Luft wenig Feinstaub, und dort wohnen die Wohl-Situierten und Reichen, die nicht von der Kinder- und Altersarmut betroffen sind, nicht in prekären Arbeitsverhältnissen stehen und denen es nichts ausmacht, wenn der Wohnraum knapper und teurer wird und die Strom- und Spritpreise steigen. Im Gegenteil, sie profitieren sogar über Mieteinnahmen und Dividenden davon. Die mit der FDP zusammen praktizierte soziale Kälte und der mangelhafte Schutz der Umwelt fallen der Union jetzt auf die Füße. Es ist nur zu hoffen, dass sie sich im Hinblick auf die Bundestagswahl sozialer und umweltfreundlicher präsentiert. HANS OETTE, Neuenstadt