heute in bremen
: „Können zu Triggereffekten führen“

Foto: Daniel George

Jonas Gabler, 36, ist Politikwissenschaftler und Autor des Buchs „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Gabler, was sind die größten Unterschiede zwischen deutscher und italienischer Fan-Kultur?

Jonas Gabler: In Italien gibt es die Ultrakultur, die aus Arbeiter- und Studentenbewegungen entstanden ist, schon seit Ende der 60er Jahre. Die Fankultur in Deutschland hat sich in den 70ern entwickelt und zunächst am englischen Vorbild orientiert. Etablierte Ultragruppen, die sich unter anderem durch einen koordinierten Support mit Lautsprechern oder der gezielten Rekrutierung von Mitgliedern auszeichnen, gibt es in Deutschland erst seit Ende der 90er. Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den beiden Ländern waren unterschiedlich, in den 70er und 80er Jahren gab es in Italien viele politisch motivierte gewalttätige Auseinandersetzungen, die sich teilweise auch in der Fankultur widerspiegelten.

Verstärkt ein massives Polizeiaufgebot die Gewaltbereitschaft dieser Gruppen heute?

Zahlreiche und stark gepanzerte Polizeikräfte können zu Triggereffekten führen, die Gewalt mitunter begünstigen können. In Deutschland sowie im europäischen Ausland hat man gute Erfahrungen mit einer sich zurückhaltenden Polizei gemacht, die zwar präsent ist, aber nicht unbedingt sichtbar.

Das gilt in Bremen allerdings nicht…

Vortrag „Quo vadis Ultra – In welche Zukunft blickt die Ultrakultur?“ und anschließende Podiumsdiskussion: 19 Uhr, Weserstadion, VIP-Bereich Ost.

Dass Bremen in dieser Hinsicht kein Vorreiter ist, hängt auch mit den räumlichen Begebenheiten hier zusammen, die eine solche unsichtbare Präsenz erschweren.

Wie wird sich das Thema in Zukunft entwickeln?

Ich schaue in diesem Punkt ungern in die Glaskugel. An einigen Standorten gewinnen gewaltbereite Gruppen derzeit an Bedeutung. Positiv ist aber, dass sich der Dialog zwischen den Verbänden und den Fangruppen verstärkt. Fußballfankultur und damit einhergehend Themen wie Diskriminierung und Antidiskriminierung werden uns in zehn Jahren noch beschäftigen, genauso wie sie es vor 20 Jahren schon getan hat.