heute in bremen
: „Sprache schafft Bewusstsein“

Foto: Susi Knoll

Sarah Ryglewski, Jahrgang 1983, ist Politikwissenschaftlerin und seit 2015 Bundestagsabgeordnete für die SPD.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Ryglewski, was haben die Sondierungen zum Thema Einwanderung ergeben?

Sarah Ryglewski: Wie aus den Ergebnissen ersichtlich wird, gibt es zwei Grundhaltungen zum Thema Einwanderung, dem die SPD deutlich offener gegenübersteht, als die Union. Deshalb ist es ein Erfolg, dass überhaupt eine Regelung zur Erwerbsmigration nun zum ersten Mal in den Sondierungsergebnissen steht. Die Details stehen noch nicht fest, das wird in den Koalitionsverhandlungen nun geregelt. Wir werden die Beratungen auf Grundlage unseres Gesetzentwurfes führen, den die SPD schon im November in den Bundestag eingebracht hat und der sich am kanadischen Punktesystem orientiert.

Warum wird das nicht explizit als Einwanderungsgesetz bezeichnet?

An der sprachlichen Formulierung kann man die unterschiedlichen Grundhaltungen ablesen. Bei der CDU werden vor allem die volkswirtschaftlichen Interessen betont, statt anzuerkennen, dass Deutschland bereits seit langem ein Einwanderungsland ist. Sprache schafft Bewusstsein. Deswegen hätte die SPD das Einwanderungsgesetz als Begriff gerne konkreter drinstehen, aber wichtiger ist, dass endlich eines kommt!

Bedeutet das Gesetz eine Grenzöffnung oder vielmehr eine Schließung?

Diskussionsveranstaltung „Neue Wege gehen. Welches Einwanderungsgesetz braucht Deutschland?“: 19 Uhr, Kulturzentrum Lagerhaus

Es geht im Gesetz vor allen darum, auf die derzeitige Situation zu reagieren und Perspektiven zu schaffen. Für die, die hier Arbeit suchen, passen die Gesetze nicht, die wir haben. Zum Beispiel beantragen viele Menschen aus den Balkanregionen oder Nordafrika bei uns Asyl, obwohl es ihnen darum geht, bei uns zu arbeiten. Weil die derzeitige Gesetzeslage ihnen keine Alternative für eine Aufenthaltserlaubnis bietet. Und das, obwohl sie mitunter die nötigen Sprachkenntnisse mitbringen oder schon Berufserfahrungen in Deutschland gemacht haben. Zur globalen Realität gehört, dass Leute mobiler geworden sind. Bei Akademikern ist das akzeptiert, bei anderen Fachkräften weniger.

Inwiefern können zurzeit hier lebende Asylbewerber von diesem Gesetz profitieren?

Das Recht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention werden durch das Einwanderungsgesetz nicht angetastet und gelten selbstverständlich weiterhin. Ziel muss aber auch sein, bestehende Regelungen zu Migration und Integration nochmal anzuschauen und vom Kopf auf die Füße zu stellen. Im Moment gibt es ein schier unermessliches Durcheinander von Konventionen und Rechtsformen. Man muss sich an der realen Bleibeperspektive orientieren. Für Menschen aus Afghanistan ist es schwieriger, Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen, da ihr Aufenthaltsstatus unklarer ist als etwa der von Menschen aus Syrien. Viele wollen eigentlich wieder in ihr Heimatland zurück, wissen aber oft selber nicht, wie lange sie hier bleiben werden. Auch für diese Leute muss man einen guten Start und gute Perspektiven gewährleisten.