Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Musikalische Mittel gegen Musikhitler
Wer bei „Musikhitler“ an K.I.Z. und ihren Skandalsong von 2013 („Ich bin Adolf Hitler“) denkt, liegt völlig falsch. Vielmehr wurden mit diesem Begriff in „Szenekreisen“ einst Personen belegt, die als besonders penetrante Vertreter ihres zum Allgemeingut erhobenen Geschmacks unangenehm auffielen. Heute ist das alles natürlich ordentlich historisiert und es kann deshalb auch nicht wundern, dass sich die einzige öffentlich verfügbare Definition zum Thema noch auf einer ausländischen Website findet, zudem in schwedischer Sprache.
Dank verschiedener Übersetzungstools weiß man zu diesem Typus und seinem Wirken aber: „Ob alle in der Firma ein Lied hören wollen, Muskichitler (sic) muss sofort seine Musik spielen“ (babelfish). Oder knackig auf den Punkt gebracht: „Dies kann der schlechteste Typ zu Partei“ sein (Microsoft Translator). Welche Partei gemeint ist, ist natürlich klar. Als besserwisserisches und auch menschlich vollkommen desaströses Exemplar bleibt sie uns auch morgen noch erhalten.
Genauso, aber glücklicherweise auch die Mittel, die es gegen sie gibt und noch geben wird. Dazu zu zählen wären zum Beispiel Belgrad (20. 1., Prinzenbar). Öder Name hin, harte Fakten her: Es handelt sich hier um ein 2015 gegründetes kleines „Allstars“-Projekt, unter anderem mit Stephan Mahler, der diversen Hamburger Punkbands seit 1981 ein Gesicht verpasst hat. An dieser Stelle rollt jetzt düster und etwas bedrohlich ein Post-Punk/New Wave/EBM-Bolide durch das Zimmer, nimmt textlich die großen Linien historischer Zusammenbrüche in Ost und West auf, und stellt mit seiner dystopischen Art die Muski- und weiteren chitler in die Ecke, in die sie gehören. Da können sie dann schön stehen, schweigen und dem fetten und zugleich leicht frösteligen Sound der Gruppe zuhören.
Man mag jetzt einwenden, und vielleicht auch zu Recht einwenden: auf Platte werden hier und da etwas zu große Gemälde gemalt, aber man ahnt dann auch schon: Das könnte eine eindrucksvolle Live-Band sein – und vom besseren Typ zu Partei ist sie ja sowieso.
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