die woche in berlin
: die woche in berlin

Berlins SPD ist gegen die Groko – und muss trotzdem hoffen, dass sie kommt. Der Senat will die Berliner Luft verbessern, eine Initiative gegen Werbung die städtische Optik. Und eine profilierte Museumsdirektorin soll die Museen im Humboldt Forum leiten: Eine gute Wahl, wenn es ihr denn gelingt, sich im dortigen Macht- und Interessenwirrwarr durchzusetzen

Genossen müssen hoffen

Landes-SPD sagt Nein zu einer Groko

Die Berliner SPD steht hinter Martin Schulz – zumindest hinter dem vom 24. September, 18.05 Uhr: Da hatte der SPD-Bundesvorsitzende verkündet, dass seine Partei nicht für eine weitere Auflage der Großen Koalition zur Verfügung stünde. Die sei „abgewählt“ worden.

Für die hiesigen Sozialdemokraten gilt das weiterhin: Der Parteivorstand stimmte am Montagabend mit 21 zu 8 Stimmen gegen Koalitionsverhandlungen mit der CDU.

Damit geben sich die Berliner Genossen ganz basisnah: Denn vor allem dort ist die Angst, durch ein erneutes Bündnis mit der Union unter Merkel unter die 20-Prozent-Marke (eventuell sogar hinter die AfD!) abzustürzen, stärker als jeder Gestaltungswunsch und alle staatstragenden Worthülsen. Zudem empfinden dort viele die Ergebnisse der kurzen Sondierung als zu schwach.

Sollte der Wunsch der Berliner SPD auch Mehrheitsmeinung beim Bundesparteitag am Sonntag in Bonn werden, stellt das die Basis allerdings ebenfalls vor ein Problem. Denn scheidet nach Jamaika damit auch die Groko als Regierungsoption auf Bundesebene aus, bliebe nur ein Minderheitsbündnis aus CDU und Grünen – eine sehr unwahrscheinliche, weil bisher nie ausprobierte Variante, für die auch ein Tolerierungspartner fehlt.

Eine Absage der SPD an die Groko würde also wahrscheinlich zu Neuwahlen führen. Für den nächsten großen Wahlkampf ist die SPD nach Meinung vieler Genossen jedoch längst nicht gewappnet – erst recht nicht in Berlin, wo sie im September 2017 wie auch bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 eine herbe Schlappe erlitt.

Den Genossen bleibt also nur die Hoffnung darauf, dass sich der Bundesparteitag am Sonntag doch für eine Groko ausspricht (was erwartet wird), dass Merkel der SPD dann in den Koalitions­verhandlungen mehr gönnt als bisher und dass es die Partei im Land und im Bund trotz der Regierungsbeteiligungen schafft, in den nächsten drei Jahren über Inhalte und Strukturen zu diskutieren und sich neu aufzustellen.

Das wird hart. Die Alternativen wären es aber auch. Und ganz nebenbei können Berlins Genossen nur so auch weiter hinter Martin Schulz stehen. Denn nach Neuwahlen wäre er wohl weg. Bert Schulz

Nur noch für gute Dinge werben?

„Berlin werbefrei“ sammelt Unterschriften

Die Leute von der Initiative „Berlin werbefrei“ haben recht: Werbung ist meistens wahnsinnig nervig. Es nervt, wenn man ständig überredet werden soll, irgendein Produkt zu kaufen. Es nervt, wenn Werbung sexistisch ist oder einfach nur langweilig. Und ja, selbstverständlich sind der Kapitalismus an sich und die Werbeindustrie im Besonderen äußerst zynische Angelegenheiten: Ständig soll man irgendetwas haben wollen, von dem man eigentlich weiß, man braucht es nicht.

Also weg mit Werbung für Billigjeans, Burger und der (bestimmt nicht) Rundum-sorglos-Altersvorsorge? Bloß noch Werbetafeln für Kulturveranstaltungen und die anderen guten Dinge dieser Welt, Sorgentelefone, Impfkampagnen und gemeinnützige Spendenprojekte?

Das will zumindest die Ini­tiative mit ihrem Volksbegehren erreichen, für das sie seit Dienstag Unterschriften sammelt. Ihre Argumente: Man könne im öffentlichen Raum nicht einfach wegschauen. Zudem würden Kinder durch Werbung manipuliert, weshalb man insbesondere vor Kitas und Schulen keine Reklame mehr will.

Doch es gibt durchaus Gründe, gegen dieses Volksbegehren zu sein. Zunächst: Natürlich kann man wegschauen. Niemand zwingt einen, sich über den vermeintlichen Fleischgehalt des neuesten Burgers zu informieren. Im Radio schaltet man um, auf der Straße guckt man geradeaus.

Vor allem aber setzt man sich mit den schlimmen Dingen dieser Welt – wie Sexismus, Ausbeutung, den falschen Versprechungen der Werbeindustrie – am besten auseinander, indem man sie diskutiert. Und das geht wiederum am besten, wenn sie sichtbar sind. Denn Sexismus, Ausbeutung, Kapitalismus verschwinden ja nicht, nur weil eine Art Werbepolizei ihre auf Plakaten sichtbaren Auswüchse verbieten will. Wegschauen hat noch nie geholfen.

Da kann man übrigens auch mit Kindern ganz prima drüber reden, wenn man sie zu mündigen Bürgern erziehen will, die sich von Werbung nicht manipulieren lassen. Anna Klöpper

Sexismus, Ausbeutung, Kapitalismus verschwinden ja nicht, nur weil eine Art Werbepolizei ihre auf Plakaten sichtbaren Auswüchse verbieten will

Anna Klöpper zur Initiative „Berlin werbefrei“

Gut für die Berliner Luft, Luft, Luft

10-Punkte-Plan gegen Dieseldreck

Donnerstag war vermutlich ein guter Tag für die Berliner Luft. Die ist bekanntlich von schlechter Qualität, weil viel zu viel Feinstaub durch die Gegend schwebt und zusätzlich giftiges Stickstoffdioxid (NO2) aus Dieselautos auf die Lungen schlägt. Der Senat hatte deshalb Bezirke, Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften zum 2. Dieselgipfel geladen, herausgekommen ist ein 10 Punkte umfassender Maßnahmenkatalog. Zwei Dinge sollen erreicht werden: Die Luftqualität soll sich „sig­nifikant“ verbessern. Und drohende Fahrverbote sollen abgewendet werden.

Das mit dem „signifikant“ ist eine Sache, die schwer zu erreichen ist. Die immer noch geschäftsführende Bundesregierung versagt auf ganzer Linie, de facto gibt es auf Bundesebene keine vernünftige Strategie für saubere Atemluft und gegen luftverpestende Dieselfahrzeuge. Länder und Kommunen müssen selbst ran. Das hat Berlin erkannt. So weit, so gut.

Wie aber senkt man die NO2-Emissionen „signifikant“, wenn man keine Macht hat, einfach alle Dieseldreckschleudern zu verbieten? Das würde das Problem sofort beheben. Es müssen also andere rigorose Maßnahmen her, die den Verkehr von Lkw und Pkw – egal ob Diesel oder Benziner – auf Elek­tro­fahrzeuge, den öffentlichen Personennahverkehr, Carsharing oder das Fahrrad verlagern.

Der Senat will Elektromobilität auf verschiedenen Wegen und mit viel Geld fördern: Es werden Anreize geschaffen, neue Fahrzeuge zu kaufen, die als Hybrid beides können: mit Strom und mit Benzin fahren. Der Ansatz ist erstaunlich breit: Taxiunternehmen sollen genauso gefördert werden wie landeseigene Firmen mit großen Fuhrparks, aber auch private Unternehmen – und die Bevölkerung. Sogar die Schiffe, die tagtäglich Touristen durch Berlin schleusen, sind Dieseldreckschleudern. Die Reedereien sollen deshalb auch mit ins Boot.

Und klar, wenn mehr Menschen das Rad oder den ÖPNV benutzen, tragen sie ihren Teil zur Verbesserung der Atemluft bei. Mehr Tempo-30-Zonen auch. Allein durch Maßnahmen für besser fließenden Verkehr könnten laut Verkehrssenatorin Regine Günther giftige NO2-Emissionen an stark belasteten Straßen wie der Leipziger oder dem Tempelhofer Damm um 5 bis 10 Milligramm je Quadratmeter reduziert werden. Doch das sind Schätzungen. Klar ist immerhin, dass Stop-and-go zu einer stärkeren Schadstoffbelastung führt.

Ob das alles wirklich reicht? Das werden die nächsten Monate zeigen, wenn Daten dazu vorliegen, was der 10-Punkte-Plan gebracht hat. Andreas Hergeth

Wespennest Humboldt Forum

Inês de Castro soll das Museum leiten

Kann sich noch jemand an gute Nachrichten von Berliner Großbaustellen erinnern? Wohl kaum. Umso bemerkenswerter ist, dass diese Woche das Humboldt Forum (HUF) gleich mit zwei positiven Meldungen aufhorchen ließ: Zum einen soll das Schloss „wie geplant“ Ende 2019 eröffnet werden, wie Hans-Dieter Hegner am Montag bei einer Runde durch den Rohling betonte. Das 600-Millionen-Projekt liege „voll“ im Kosten- und Zeitplan, so der Bauvorstand der Stiftung Berliner Schloss.

Zum anderen war ab Mittwoch klar, dass der Stiftungsrat die Ethnologin Inês de Castro, aktuell Direktorin des Stuttgarter Linden-Museums, zur neuen Chefin für die Sammlungen des Humboldt Forums mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst machen will. Ein super Job für eine super Frau vom Fach! Könnte man meinen.

Denn die frohen Botschaften von der Bau- und Museumsfront verdecken, dass es weiterhin ein großes personelles und inhaltliches Durcheinander, ja Wespennest im HUF gibt, für das sich de Castro wappnen sollte.

Es ist bis dato undurchschaubar, welcher der drei Gründungsintendanten – der Brite Neil MacGregor, SPK-Präsident Hermann Parzinger und der Kunsthistoriker Horst Bredekamp – im HUF das Heft des Handelns in der Hand hält. Zudem fehlt ein Generalintendant; und Politiker des Bundes, Berlins, Kulturmanager und Kuratoren nehmen Einfluss und verfolgen ihre Interessen.

Wohin das neue Ausstellungskonzept steuert, ist ebenfalls ein Rätsel. Wie werden die Objekte aus der Südsee, die Kulturen ­Asiens, Afrikas und Amerikas präsentiert – wie reflektiert? Folgt einer Spezialschau die nächste? Wird die Sammlungsgeschichte thematisiert? Offene Fragen.

So toll der Job ist, es wird kein Zuckerschlecken für de Castro, die 1968 in Buenos Aires geboren wurde und in Bonn Ethnologie studierte. Heute ist sie eine der profiliertesten Museumsmacherinnen. Es täte gut, wenn sie ihre politisch-aufklärerischen Programme aus Stuttgart wie etwa bei der aktuellen Ausstellung über das von den Vereinigten Staaten seit 1898 besetzte Königreich Hawaii nach Berlin mitbringen würde. Das wäre ein Signal im Kompetenz- und Machtdschungel am HUF und ein wichtiger Schritt in Richtung Klarheit.

Rolf Lautenschläger