SOUNDTRACK

Dem Mann kann man wohl nicht mehr so leicht etwas vormachen: Um im Bild zu bleiben, ist wohl eher er derjenige, der in den vergangenen, man muss mittlerweile sagen: Jahrzehnten manchen Underground-Trend schon vorher kannte, weil er ihn mitbegründete. Ian Svenonius kennt man jedenfalls als Sänger und Enfant terrible der ersten ernst zu nehmenden Post-Hardcore-Band Nation of Ulysses und, als alle dann Post-Hardcore machten, als Apologeten eines schwitzigen, Garage-Souls, der unter dem Namen The Make Up Sexyness und Attitüde auf ungewohnte Weise (wieder) zusammenführte. Jetzt heißt das Kind Chain and The Gang und es kommt so herrlich zeitlos, kaputt, glitzernd, roh und fragil daher, dass man geneigt ist, eine zentrale Aussage des zeitgenössischen Pop-Diskurses in die dunkle Ecke zu stellen. Die Differenz zwischen Aufrichtigkeit und „gut gemacht“ ist nämlich nicht aufgehoben, sondern bleibt hörbar. Das aus Gospel, Blues, dreckigem Rock und Svenonius als apokalyptischem Wanderprediger zusammenkomponierte Stück Band gehört natürlich unbedingt in die erste Kategorie. Do, 25. 10, 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

Gravenhurst feiern jetzt 10-Jähriges und waren in diesem Zeitraum eine eher fleißige Band (sechs Alben). Dabei ist der Begriff Band hier sicherlich ein kleiner Euphemismus, handelt es sich doch eigentlich um das Soloprojekt von Nick Talbot, der das kreative Zentrum der Bristoler darstellt und diese äußerst leise Band allein schon deswegen dominiert, weil sie aus nicht viel anderem zu bestehen scheint als aus leichtem Gezupfe und einer geradezu provozierend weich dahinfließenden Stimme. Statisch und festgelegt ist die Angelegenheit, die stets mehr Postrock als Singer/Songwriting darstellte, gleichwohl nicht. Waren Gravenhurst anfänglich deutlich vom Shoegazer-Sound geprägt, zeichneten sich spätere Veröffentlichungen durch ihre Flirts mit Psychedelic Rock aus. Jetzt ist die „humorlose Band“ (Talbot über Gravenhurst) wieder deutlich in die Welt der Tiefenentspannung eingetaucht. Das diesjährige „The Ghost in Daylight“ übertrifft die weichgezeichnete Leichtigkeit von Simon and Garfunkel und schafft es dabei gleichzeitig, irgendwie traurig zu wirken. Gut, wenn man dann doch eine Band hat. So, 28. 10., 20 Uhr, Molotow, Spielbudenplatz 5

Geradezu bedächtig hört sich die Radikalisierung des Bösen an. Nicht Donner, Schwefel, Punk und dergleichen werden nämlich aufgeboten, wo Radikal Satan draufsteht. Vielmehr überrascht das aus Argentinien stammende und mittlerweile in Bordeaux angesiedelte Duo (ein Brüderpaar) mit einer ausgesprochen eigenwilligen Verbindung von Avantgarde, Jazz, Kaffeehauskultur und Tango Argentino. Vor allem haben hier welche: viel Zeit. Mitunter zeitlupenartig entwickeln sich die auf Orgel, Akkordeon, Kontrabass, etwas Percussion und stets dosiertem Gesang basierenden Songs und entfalten sich dabei als leicht psychedelische, selbstvergessen-experimentelle Ausritte in ein windschiefes französisches Straßencafé oder in einen etwas aus der Spur geratenen Horrorfilm (in Schwarz-Weiß). Wer möchte, kann dazu auch tanzen, wird sich allerdings – die Band nennt ihren Stil übrigens „Tango Doom“ – mit der fehlenden Geschwindigkeit arrangieren müssen. Die Hölle, das sind unter diesen Umständen natürlich die anderen. Mo, 29. 10., 20 Uhr, Fools Garden, Lerchenstraße 113 NILS SCHUHMACHER