Medienreaktion auf Update von Facebook: Daumen hoch oder runter?
Facebook will wieder persönlicher werden und schraubt kräftig an seinem Algorithmus. MedienmacherInnen sind irritiert und suchen nach einer Strategie.
Das Verhältnis von Facebook und den Medien ist eine Geschichte voller Brüche. Erst waren den ProgrammiererInnen JournalistInnen egal. Redaktionen, die ihre Inhalte verteilen wollten, waren auf sich allein gestellt. Dann ein Kurswechsel: Facebook suchte die Nähe zu jenen, die hochwertige Inhalte auf die Plattform bringen – und damit das Werbeumfeld aufwerteten. Facebook startete ein JournalistInnen-Projekt und bot sich mit dem Format „Instant Articles“ als Partner an, gibt seitdem Werbeeinnahmen ab. Dieser Tage aber sind JournalistInnen irritiert.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg notierte in seinem eigenen Profil eine Ansage: Die Plattform solle NutzerInnen nun im Wesentlichen „bedeutsame soziale Dialoge“ zuspielen und weniger „relevante Inhalte“. Künftig sollen auf Facebook also stärker Einträge von FreundInnen erscheinen und weniger Botschaften, die Unternehmen, NGOs oder Medien absetzen. Wie dieser Mix zustande kommt, regelt ein Algorithmus – der tief in der digitalen Blackbox Facebook versteckt ist.
„Seriös kann noch niemand sagen, wie sich die angekündigten Änderungen auswirken“, sagt Torsten Beeck, der die Social-Media-Aktivitäten des Spiegel-Verlags leitet. Tatsächlich werde der Algorithmus, der den sogenannten Newsfeed steuere, permanent angepasst. „Wir werden analysieren, was das journalistisch und kaufmännisch für unterschiedliche Aktivitäten bedeutet, so wie wir es bisher auch getan haben“, sagt Beeck – und spielt bei den „kaufmännischen Aktivitäten“ unter anderem auf die Möglichkeit für SeitenbetreiberInnen an, sich die nötige Reichweite auch einfach zu kaufen. Das wäre eine mögliche, mitunter aber auch recht teure Gegenstrategie.
Im Netz diskutieren JournalistInnen über die Auswirkungen. „Das eine ist, was Facebook sagt (vergangene Woche), und das andere, was Facebook macht (seit Oktober 2017)“, notiert etwa Sebastian Fiebrig aus der deutschen Redaktion von BuzzFeed. Setzt Facebook also schon seit Monaten die aktuelle Ankündigung um? „Ich würde den Beginn der Umstellung auch eher im Spätsommer verorten“, ergänzt Sophie Wanke von der Mediengruppe DuMont (Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung).
Auch Patrick Weinhold, der das Social-Media-Team der „Tagesschau“ leitet, glaubt an eine schleichende Veränderung – zulasten klassischer Medieninhalte. Mit Zuckerbergs Ankündigung vor ein paar Tagen habe sich praktisch nichts verändert. Allein: „Facebook schraubt unserer Beobachtung nach bereits seit Anfang Oktober kräftig an seinem Algorithmus“, sagt Weinhold. „Reichweiten haben sich plötzlich massiv verändert.“
Das Boulevard darf sich freuen
Einige wenige Einträge würden nun sogar besser zu den AbonnentInnen der „Tagesschau“-Seite durchdringen als bisher, den Großteil bekämen aber deutlich weniger NutzerInnen mit – die teils irritiert nachfragten, warum die „Tagesschau“ inzwischen so wenig poste. „Außerdem ist unser Fan-Wachstum massiv eingebrochen, ohne dass wir an der Frequenz unserer Einträge etwas verändert hätten, an der Ausrichtung unserer Facebook-Seite oder am Stil.“ Bis zum Herbst 2017 habe die Redaktion noch bis zu 20.000 neue Fans pro Woche gezählt, inzwischen sind nur rund 5.000 NeuabonnentInnen.
Die Algorithmusänderung dürfte die Boulevardisierung der Medienlandschaft weiter vorantreiben. Jedenfalls sprechen KollegInnen mehrerer Redaktionen hinter vorgehaltener Hand davon, dass der Algorithmus zunehmend Kuriositäten oder Affären belohne, während Analysen oder Hintergründe fast schon steckenblieben. Weinhold sagt offen: „Wenn Donald Trump den Import von Elefantenköpfen wieder zulässt, dann dringt der Eintrag durch. Andere Beiträge haben es deutlich schwerer.“
Patrick Weinhold, „Tagesschau“
ExpertInnen wie der US-Journalistikprofessor Jeff Jarvis schlagen Redaktionen bereits offensiv vor, auf „Conversational Journalism“ zu setzen, die Berichterstattung also noch stärker als bisher in die Diskussion zu bringen. Dabei könnte es helfen, wenn ReporterInnen ihre Recherchen selbst über ihre persönlichen Profile in Umlauf brächten. Journalistenschulen bereiten entsprechende Seminare vor.
„Das alles hat uns zum Nachdenken gebracht“, sagt „Tagesschau“-Redakteur Weinhold über den neuerlichen Umgang von Facebook mit Medieninhalten. „Wir überlegen, ob wir unsere Ressourcen anders verteilen und weniger Aufwand in Facebook stecken, dafür in andere Plattformen investieren.“ YouTube sei als Bewegtbild-Plattform ein Kandidat für die TV-Redaktion. Weinhold: „Wir überdenken unsere Strategie.“
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